Partnerin wider Willen
Wagen des Bauleiters stand offen.
»Meine Anforderung beim Arbeitsamt war eindeutig«, hörten sie Lohmann sagen. »Sie lautete ›Anstreicher gesucht‹. Das › in‹ habe ich nicht vergessen, sondern bewusst weggelassen. Es geht nicht gegen Sie persönlich, aber eine Frau auf ’ner Baustelle . . .«
»In welchem Jahrhundert leben Sie denn?«, fragte eine Stimme, die Ellen nur allzu bekannt war. »Heutzutage sind Männer Kindergärtn er und Frauen eben Anstreicher innen . Es kann Ihnen doch egal sein, wer die Farbe an die Wände bringt.«
Ellen und Marco nahmen nacheinander die Stufe zum Bauwagen. Lohmann sah den eintretenden Kommissaren entgegen. »Ach, Sie schon wieder«, brummte er sichtlich gestresst. Ellen machte zwei Schritte in den kleinen Raum hinein und konnte nun der Frau, die den Bauleiter von ihrer Arbeitskraft zu überzeugen versuchte, ins Gesicht sehen. Sie hatte sich nicht getäuscht. Es war Dana!
Dana hatte die Überraschung, Ellen so unerwartet gegenüberzustehen, gut im Griff. Sie redete weiter auf Lohmann ein. »Aber nun bin ich schon mal hier. Warum probieren wir es nicht einfach?«, blieb sie hartnäckig. Dann wandte sie sich sogar an Ellen: »Was ist Ihre Meinung? Eine Frau in einem Männerberuf ist doch heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr. Oder?«
»Scheinbar nicht, sonst hätte die Sachbearbeiterin im Arbeitsamt Sie ja nicht hergeschickt«, spielte Ellen mit.
»Eben!« Dana sah Lohmann herausfordernd an. »Außerdem reden wir hier über einen Ein-Euro-Job. Was glauben Sie, wie groß der Andrang dafür ist?«
»Also gut. Ein Tag Probe kann ja nichts schaden«, gab Lohmann sich geschlagen, griff nach seinem Handy und wählte eine Nummer. »Heinz, kannst dir deine neue Kollegin abholen. Zeig ihr alles. Und sag mir zum Feierabend Bescheid, ob sie was taugt.« Offenbar kam eine Frage vom anderen Ende. »Ja, sie! «, knurrte Lohmann gereizt. »Hast du ein Problem damit?« Falls Heinz eines hatte, behielt er es wohl für sich. Jedenfalls gab es keine weitere Diskussion. »Alles klar.« Lohmann steckte sein Handy wieder weg.
Die Blicke, die Marco, Ellen und Dana während des kurzen Gespräches miteinander getauscht hatten, waren ihm entgangen. Sonst hätte er sich wohl gewundert, warum Marco die Anstreicherin angegrinst und Ellen in deren Richtung hin nur milde mit dem Kopf geschüttelt hatte. Natürlich wussten die beiden Kommissare, was hinter Danas Auftritt steckte. Sie wollte den Job, um sich hier umhören zu können. Eine Explosion, eine Brandleiche – und das ausgerechnet auf einer Baustelle von Kessler. Das war ganz nach Danas Journalistinnenherz. Neuer Zündstoff, viel Raum für Spekulationen.
Ellen fragte sich, wie Dana von diesem Ein-Euro-Job erfahren hatte. Na, wahrscheinlich hatte sie jemanden im Arbeitsamt erpresst, dachte sie lakonisch. Wenn Dana hier rumschnüffelte, bestand allerdings die Gefahr, dass sie die Ermittlungen störte. Andererseits war es vielleicht gar nicht so schlecht, einen Maulwurf auf der Baustelle zu haben. Zur Abwechslung konnten sie Dana mal als Informationsquelle nutzen. Mit der Polizei redeten die Leute nicht gern.
Aber es gab bereits zwei Tote, Ellen! Was, wenn Dana zu neugierige Fragen stellte und in Gefahr geriet? Für den Täter spielte es keine Rolle, ob er zwei oder drei Morde beging. Für ihn war bereits nach dem ersten die Hemmschwelle gefallen. Sie musste Dana klarmachen, wie gefährlich deren Recherche war. Nicht jetzt natürlich, sie wollte Dana ja nicht alles verderben – aber sie mussten reden, so schnell wie möglich.
Ellen schaute Dana nach, die von einem Mann in Malerkluft abgeholt wurde. Dessen skeptischen Blick lächelte Dana weg.
»Wir sind mit der Identität des Brandopfers ein Stück vorangekommen und hoffen, dass Sie uns mit dem Rest helfen«, sagte Marco neben Ellen, an Lohmann gewandt.
»Wenn ich kann«, meinte Lohmann.
»Das sollte nicht schwer sein. Sie müssen uns nur sagen, ob auch Frauen auf der Baustelle arbeiten. Außer der, die wir eben gesehen haben.« Marco grinste Ellen an.
Lohmann schaute Marco verdattert an. »Nein, keine.«
»Ganz sicher?«
»Ja.«
»Okay. Was ist mit Frühstücksservice, einer Pizzalieferantin oder so was?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Lohmann stutzte. »Das . . . war eine Frau, die da verbrannt ist?«, fragte er.
Ellen schien es, als sei er eine Spur blasser geworden. Die Information erschreckte ihn. Was aber keinen Sinn ergab angesichts dessen, was er ausgesagt hatte.
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