Partnerin wider Willen
Er musste also etwas verbergen.
»Herr Lohmann, Sie lügen«, sagte Ellen ihm direkt auf den Kopf zu.
»Aber nein.« Kopfschütteln. »Wieso sollte ich?«
»Das sage ich Ihnen, wenn wir den Fall aufgeklärt haben. Was nur eine Frage der Zeit ist, mit oder ohne Ihre Hilfe. Nur: Wenn sich dann herausstellt, dass Sie uns hier angelogen und die Ermittlungen behindert haben, bekommen Sie große Probleme.« Eine nette kleine Drohung half ja manchmal, dachte Ellen.
Doch Lohmann wiederholte nur: »Ich kann Ihnen nichts anderes sagen.«
»Na gut. Wir werden die anwesenden Arbeiter befragen.«
»Bitte. Tun Sie das.«
Ellen sah Marco an. Der zog aus seiner Jackeninnentasche ein zusammengefaltetes Stück Papier und ließ es auseinanderfallen. »Herr Lohmann.« Marco räusperte sich. »Die Liste der Arbeiter, die Sie uns gegeben haben, ist die vollständig?«
»Ja, natürlich.«
»Sie scheint mir etwas kurz geraten. Es stehen nur . . .« Marco zählte durch. ». . . zehn Namen drauf.«
»Sie haben ja gesehen, was man bekommt, wenn man das Arbeitsamt anruft«, erwiderte Lohmann zynisch.
»Ich dachte immer, auf so einer Baustelle trifft man hauptsächlich Angestellte von Handwerkerfirmen. Sie stellen Ihre Leute direkt ein?«, wunderte sich Marco.
»Ja, ist billiger.«
»Dann bedienen Sie sich sicher auch anderer billiger Alternativen, außer Ein-Euro-Jobbern. Personal aus dem Ausland zum Beispiel?«
Lohmann nickte. »Sind gute Leute. Fünfzig Prozent meiner Arbeiter sind Ausländer.«
»Und diese fünfzig Prozent sind alle angemeldet?«
»Selbstverständlich.«
»Schön, dann werde ich mal eben rausgehen und ein paar der Leute nach ihrer Arbeitserlaubnis fragen, während meine Kollegin hier mit Ihnen weiter spricht.«
Lohmanns Zunge fuhr nervös über seine Unterlippe. Sein »Bitte« geriet etwas kratzig.
»Schön.« Marco wandte sich zur Tür des Bauwagens, drehte sich aber noch einmal um. »Ich habe ein angeschlagenes Knie, wissen Sie. Immer, wenn ich irgendeinem armen Kerl hinterherrennen muss, bin ich den nächsten Tag unerträglich, wegen der Schmerzen. Ich sage das nur, weil ich nach dieser Verfolgungsjagd auch Sie verhören müsste, Herr Lohmann.«
Lohmanns Gesicht zeigte deutliche Unruhe, er sagte aber nichts.
»Also gut. Wie Sie wollen.« Marco verließ den Bauwagen.
Ellen beobachtete Lohmann schweigend. Seine Nervosität nahm unverkennbar zu. Jetzt nahm er sein Handy.
»Was tun Sie da?«, fragte Ellen.
»Ein paar Anrufe erledigen. Die Arbeit muss ja weitergehen.«
Ellen nahm ihm das Gerät aus der Hand und legte es auf den Tisch. »Ich fürchte, damit müssen Sie warten, bis mein Kollege zurück ist.«
»Aber . . .«, setzte Lohmann zum Protest an.
»Wir müssen sichergehen, dass Sie niemanden warnen, Herr Lohmann. Das sehen Sie doch ein.«
Lohmann fiel auf einen der Stühle. Er brummte irgendetwas Unverständliches.
Sie warteten. Fünf Minuten, zehn, fünfzehn. Ellen schaute immer öfter durch das Fenster. Wo blieb Marco? Lohmann griff sich einen Ordner, blätterte darin herum. Um seine Unruhe zu verbergen, vermutete Ellen.
Endlich tauchte Marco wieder auf. Vor sich her schob er einen Mann um die fünfzig, kräftig, in Malermontur. Beide Männer sahen etwas mitgenommen aus.
»Das ist Pjotr«, schnaufte Marco. »Ich hoffe, wenn ich mal in seinem Alter bin, kann ich auch noch so gut rennen. Bis jetzt klappt’s jedenfalls noch.« Marcos Blick lag vernichtend auf Lohmann. »Haben Sie mir vielleicht jetzt was zu sagen?«
Lohmann legte den Kopf leicht zur Seite. »Was meinen Sie?«
»Herr Lohmann. Schluss mit dem Spielchen«, sagte Marco. »Pjotr hat keine Arbeitspapiere, und ganz sicher ist er nicht der einzige illegale Arbeiter hier. Und Sie wissen das.«
»Ich habe mit den Personalangelegenheiten nichts zu tun«, behauptete Lohmann. »Ich stelle die Leute ein und sage ihnen, sie sollen ihre Papiere im Büro abgeben.«
»Ach nee. Wann ist Ihnen das eingefallen?«
Lohmann hob entschuldigend die Hände.
»Sie nehmen natürlich auch keine Barauszahlungen vor«, sagte Marco ätzend. »Die Löhne werden alle überwiesen.«
»Der eine oder andere holt sich mal einen Vorschuss bei mir ab.« Der Bauleiter brachte schon wieder ein überlegenes Lächeln zustande.
Marco schob Pjotr zum Tisch und bedeutete ihm, sich zu setzen. »Tja, dann fragen wir doch mal Pjotr, wie das hier so läuft. Ich habe ihm schon erklärt, dass wir die Steuerfahndung raushalten können, wenn er uns hilft. Wir
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