Partnerin wider Willen
interessieren uns hauptsächlich für die Explosion im Keller und das Opfer.«
Lohmanns Blick verfinsterte sich schlagartig. »Also gut, Sie haben gewonnen. Wir haben hier ein paar Arbeiter, die nicht angemeldet sind. Aber was hat das mit der Explosion zu tun?«
»Na also«, sagte Marco. »Geht doch. War ja ’ne schwere Geburt.«
»Allerdings«, fand auch Ellen. »Wie sieht es denn mit der medizinischen Versorgung aus, Herr Lohmann? Welche Hilfe bekommen diese Arbeiter, wenn sie einen Unfall haben?«
»Woher wissen Sie . . .« Lohmann hielt inne, als er merkte, dass er sich verplappert hatte. »Das war doch nichts Schlimmes. Einer der Fliesenleger, ein Russe, hat letzte Woche statt der Fliese seinen Finger unter den Fliesenschneider gelegt, der Idiot. Überall war Blut, aber es sah schlimmer aus, als es war.«
Marco schaute Ellen an. Volltreffer, sagte sein Blick. »Was passierte mit dem Mann? Verstecken Sie ihn in irgendeinem abgelegenen Bauwagen und schicken ab und zu einen Kurpfuscher vorbei?«
»Quatsch. Wir haben seinen Finger in einer Tüte eingesammelt und ihn damit per Taxi ins Krankenhaus geschickt, wo sie das Ding wieder angenäht haben. Sagen Sie, was hat das mit dem Brand zu tun?«
Ellen gab Marco ein Zeichen, ging hinaus und rief die Unfallstation des örtlichen Krankenhauses an. Nach einigem Hin und Her bekam sie die Auskunft: Kein abgeschnittener Finger, kein russischer Fliesenleger.
Sie betrat den Bauwagen wieder. Kopfschüttelnd sah sie Marco an.
»Meine Kollegin sagt, der Mann kam nicht im Krankenhaus an«, übersetzte Marco.
»Ja, dann hat er es sich anders überlegt. Keine Ahnung. Das ist ja seine Entscheidung.«
Ellen schüttelte den Kopf. »Was für eine Geschichte versuchen Sie uns hier aufzutischen, Herr Lohmann? Sie wussten doch, dass der Mann nicht krankenversichert ist. Außerdem hätte man ihn im Krankenhaus gefragt, wie und wo es zu dem Unfall kam.«
Lohmann fuhr sich durchs Haar. »Ja, gut, Sie haben recht. Der Mann wollte einfach weg. Hat gesagt, er geht nach Hause, da hat er einen Freund, der Sanitäter ist. Was sollte ich tun? Ich bin nicht seine Mutter!«
Ellen dachte an ihren angeschnittenen Finger, wie der geblutet hatte. Sie stellte sich schaudernd vor, wie dieser Mann geblutet haben musste, dessen Finger abgetrennt war. »Niemand geht mit so einer Wunde einfach los«, sagte sie überzeugt. »Wahrscheinlich war er nach dem Unfall sogar ohnmächtig.«
»Nein, war er nicht. Er ist gegangen«, behauptete Lohmann steif und fest. »Stimmt’s, Pjotr?«
Pjotr nickte zögerlich.
Die Befragung der anderen Arbeiter brachte Marco und Ellen auch nicht weiter.
Ich war an dem Tag krank.
Ich war gerade eine Zigarette rauchen.
Ich habe am anderen Ende des Gebäudes gearbeitet.
So und ähnlich lauteten die Antworten der Männer, die nach Marcos vorangegangener Einfangaktion noch anwesend waren. Und natürlich hatte auch niemand eine verdächtige Person auf der Baustelle, geschweige denn in der Nähe des Heizungskellers gesehen.
»Die halten alle dicht«, brummte Ellen auf dem Weg zum Wagen. »Niemand will sich mit dem Chef anlegen oder gar seinen Job verlieren.«
»Na ja, kann man auch verstehen«, brummte Marco zurück.
»Nein, kann man nicht«, widersprach Ellen hitzig. »Niemanden kümmert es, wie es diesem armen Schwein geht, das seinen Finger verloren hat. Ohne ärztliche Hilfe hat sich die Wunde garantiert entzündet. Er liegt irgendwo, hat höllische Schmerzen. Die Infektion und der Blutverlust sind eine lebensbedrohliche Kombination. Wer von denen denkt daran!«, machte sie ihrem Unmut Luft.
Marco zog den Kopf ein. »Schon gut«, sagte er. »Was machen wir jetzt?«
»Uns noch mal Gerstäcker vorknöpfen. Was sonst«, erwiderte Ellen seufzend.
Nur den Bruchteil einer Sekunde, kaum wahrnehmbar, lag Unbehagen auf Gerstäckers Gesicht. Dann hatte er sich im Griff, setzte ein freundliches Lächeln auf und erhob sich. »Ich dachte mir schon, dass Sie kommen«, empfing er die Beamten, bot ihnen Platz an und überraschte mit einem ungewohnten Redeschwall. »Ich bekam gerade einen Anruf von Herrn Lohmann. Ich bin fassungslos. Was ich da gehört habe – ich hatte ja keine Ahnung. Also, dass Karl ein Schlitzohr war, wusste ich natürlich. Doch so etwas . . . Ich werde mich um die Angelegenheit selbstverständlich sofort persönlich kümmern und sie in Ordnung bringen.«
Ellen überraschte Gerstäckers Taktik wenig. Angriff ist die beste Verteidigung, und Tote
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