Partnerschaft und Babykrise
Sich-Verlieben, das auf einer Überschätzung (Idealisierung) des Partners beruht. Die kontakterhaltende Funktion ist dann der realistische und kritische Austausch mit einem Partner.
Entwertung, Vorurteil und Hass entstehen, wenn die Idealisierung nicht kritisch durchleuchtet wird, sondern die primitive Verliebtheit in ihr ebenso primitives Gegenteil kippt. Der Schritt vom Erlöser zum Verderber ist erheblich kürzer als der von einer grandiosen Illusion über den Partner zur Verarbeitung seiner Wirklichkeit.
Wer aus dem positiven Vorurteil in das negative fällt, erspart sich die Auseinandersetzung mit der Realität, die auch immer bedeutet, sich Kränkungen zu stellen und Ängste vor der Unsicherheit zu überwinden, die in der Achtsamkeit auf innere Prozesse wurzelt. Wir sind seelisch darauf vorbereitet, gegen äußere Feinde zu kämpfen; die dazu nötige Affekt-Ausrüstung des Kampf-Flucht-Mechanismus steht sofort zur Verfügung. Eigene Verstrickungen in problematische Zustände zu erkennen erfordert dem gegenüber Kontrolle über schnelle Reaktionen.
Das erwachsene Selbstgefühl festigt sich in Liebesbeziehungen durch den Austausch von Anerkennung. Eine innere Struktur trägt diesen Austausch. Sie baut sich auf, wenn dem Kind die Möglichkeit geboten wurde,
sich mit entsprechenden Erfahrungen zu identifizieren, wenn es also einen solchen Austausch in seiner Familie erlebt hat. Wo die Eltern tyrannisch oder entwertend miteinander umgehen, entsteht ein extremes Kontrollbedürfnis, das durch Ängste abgesichert wird, mit eigenen Kontaktwünschen ungeschützt auf andere Menschen zuzugehen. Der folgende Fall zeigt, wie die entsprechenden Selbstgefühlsdefizite durch die Konstruktion einer Phantasieliebe ausgeglichen werden. Die narzisstischen Belastungen durch ein Kind spiegeln sich in dieser Bindung an ein Liebesobjekt, das nicht real werden darf, weil es vollkommen sein muss.
Beate U. wächst in einer Familie auf, in der die Mutter wegen ihrer »hysterischen« Geltungsansprüche vom Vater entwertet wird. Beate schließt ihr Jurastudium mit Auszeichnung ab und arbeitet erfolgreich in der Rechtsabteilung eines Konzerns. Sie kommt mit Depressionen und Suizidphantasien in Behandlung. Beate lebt seit zehn Jahren allein. Ihre Krisen hängen damit zusammen, dass sie ein von ihr heimlich begehrter Mann ignoriert oder mit einer ihrer Kolleginnen geflirtet hatte. Sie kann von dieser Schwärmerei nicht lassen, sie beherrscht bald ihre Phantasie, bald wird sie in kritischer Selbstentwertung niedergemetzelt.
Beate sehnt sich nach einer Familie und Kindern, begehrt aber nur diesen (verheirateten) Traummann, während sie Beziehungsangebote aus ihrem Umfeld ignoriert oder entwertet. Sie sei doch kein Behälter für Restmüll!
In der Behandlung erkannte Beate, wie dieser Traummann sie selber war – ein narzisstisch besetztes Bild, mit dem sie verschmelzen
wollte, um endlich in eine angstfreie sexuelle Beziehung zu finden.
In dem Phantasiepartner konnte sie sich spiegeln. Sie lebte mit ihm in einem schönen Haus und hatte viele Kinder, ohne dass ihr Vater etwas von ihrem Sexualleben wusste und bemerken konnte, dass seine Tochter nicht mehr sein Püppchen war. Alles war genau so, wie es ihr Vater erwartete, mit dem sie schon früh ein Bündnis gegen ihre Mutter geschlossen hatte.
Es dauerte zwei Jahre, bis sich Beate bereitfand, den Männern standzuhalten, die sie über eine Internet-Kontaktbörse kennenlernte. Als sie endlich eine Beziehung begann, hatte sie anfangs nur Einwände und Panikzustände. Sie hörte die Stimme der Mutter – »Was willst du denn mit dem«? Er sei zu dick, nicht erfolgreich genug, komme aus kleinen Verhältnissen.
Es zeigte sich, dass ihr Freund gut mit ihrem Vater konnte (und sie war überzeugt gewesen, dieser würde ihn entwerten), dass auch er sexuelle Ängste hatte, die er mit ihr überwand. Sie fand es schön, hier sogar weniger Angst zu haben als ihr Partner!
In einem narzisstischen Mangelzustand entwickelt das Ich eine gesteigerte Wahrnehmung für Quellen von Aufmerksamkeit und Grandiosität. Es blickt sozusagen um sich, sucht nach Möglichkeiten, zu idealisieren, sich zu verlieben, sich zu identifizieren, an fremder Grandiosität auf die eine oder andere Weise zu partizipieren. Je ausgeprägter die Bedürfnisse nach Spiegelung in der kindlichen Erlebniswelt versagt wurden (in Beates Fall durch ihre extrem selbstbezogene, den Ehemann entwertende und putzsüchtige Mutter), desto
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