Party Girl - Roman
gehört, dass du geklopft hast.«
Ihre Mutter lachte. Wenn sie so wie jetzt lachte, war es mehr ein zärtliches Gurren. Mona hörte das gern. Sie fühlte sich dann auf einmal klein und weich und schutzbedürftig und es erinnerte sie vage an die vielen Nächte, in denen sie dieses zärtliche Gurren so vermisst hatte. Und weinend zu ihrem Vater ins Bett gekrochen war, um bei ihm Trost zu suchen.
»Mama kommt wieder«, hatte ihr Papa sie getröstet, »sie muss arbeiten, weißt du. Aber wenn sie fertig ist, kommt sie ganz schnell nach Hause. Mama kommt immer wieder.«
Ja, das stimmte. Ihre Mutter war immer wiedergekommen, dafür lag ihr Vater jetzt auf dem Friedhof. Und kam nie wie der.
»Was machst du gerade? Schularbeiten?« Charlotte schaute neugierig auf den Bildschirm. »Sibirische Tiger! Bio?«
»Ja«, log Mona. Sie schob die gedruckten Seiten schnell in ihre Schreibtischschublade.
»Und? Wie war dein Tag?« Charlotte richtete sich auf, strich die Haare aus dem Gesicht und ging in Monas Zim mer herum. Mona hasste es, wenn ihre Mutter in alle Ecken schaute, wenn ihr Blick an dem kleinen Berg Schmutzwä sche hängen blieb, der neben der Tür lag, oder dem nachläs sig gemachten Bett. Ein Bettlakenzipfel lugte unter der Bettdecke heraus und natürlich sah Charlotte es im glei chen Augenblick wie Mona und natürlich konnte sie das nicht einfach so lassen, sondern schlug die Decke zurück, stopfte das Laken unter die Matratze, strich mit den Hän den die Decke glatt und seufzte zufrieden, als sie sich wie der aufrichtete.
Ihre Mutter hatte es gern, wenn die Welt in Ordnung war.
»Mama«, sagte Mona, »das ist mein Zimmer.«
»Ich weiß, Darling. Aber die Wäsche hättest du wenigs tens in den Korb in der Wäschekammer werfen können, oder? So weit weg ist das doch nicht.«
»Es hat mich nicht gestört«, sagte Mona. Sie sagte es be tont ruhig. Sie wollte sich nicht mit ihrer Mutter streiten. Wenn es überhaupt zwischen ihnen Streit gab, dann immer nur wegen solcher Kleinigkeiten, wegen solcher Nebensäch lichkeiten.
Sie stand auf, und bevor ihre Mutter sich bücken konnte, hatte sie die Wäsche aufgehoben und presste sie an die
Brust.
»Ich bring sie weg, okay?«, sagte sie.
Charlotte lächelte.
»Auch wenn wir Fernanda haben, müssen wir selber für ein bisschen Ordnung sorgen, das weißt du doch, Schatz.« Ihre Mutter folgte ihr durch den langen Flur.
Mona dachte: von wegen nicht weit weg . Die Wohnung war riesig. Eine Altbauwohnung mit hohen Wänden und Stuckverzierungen an der Decke, mit holzgetäfeltem Flur, in den Bücherregale eingelassen waren, sechseinhalb Zim mern, einer Loggia nach Süden und einem Küchenbalkon. Das Zimmer mit der Loggia war das Studio ihrer Mutter, da neben, auch nach Süden hin, lagen Speisezimmer (Charlot te bestand darauf, dass sie Speisezimmer sagten und nicht Esszimmer wie alle anderen Leute) und Salon (klang auch besser als Wohnzimmer , war schließlich mit Kamin und Flü gel ausgestattet). Im nördlichen Teil der Wohnung befan den sich die Küche, Charlottes Schlafzimmer mit angren zendem Bad und Ankleidezimmer und Monas Zimmer. Ihr Bad war kleiner, hatte nur eine Dusche, aber immerhin ge hörte es ihr allein. Das halbe Zimmer war zur Wäschekam mer umfunktioniert worden, weil ihre Mutter eine Wasch-und Trockenmaschine in der Küche hasste. Wegen der ewig gurgelnden und pfeifenden Geräusche, die solche Maschi nen nun mal machten. Wenn Mona eine empfindliche Na se hatte, so litt ihre Mutter unter einem extrem feinen Ge hör.
Mona fragte sich plötzlich, während sie die Wäsche in den Wäschekorb stopfte, wie sie es wohl jemals schaffen könnte, unbemerkt von Charlotte in die Wohnung zu schleichen, spätabends zum Beispiel. Wenn Mirko sie viel leicht mal ins Kino einlud und wenn die Mutter früh ins Bett gegangen war, weil sie am nächsten Tag schon um sie ben zu einem Dreh abgeholt wurde. Wie sie es schaffen könnte, an der offenen Schlafzimmertür vorbeizuschlei chen, ohne dass ihr ein »Mona?« entgegenscholl.
Aber würde Mirko sie je ins Kino einladen?
Würden sie überhaupt dieselben Filme mögen?
Außer, wenn es sich um einen Film über Sibirische Tiger handelte, aber Mona war kein einziger Dokumentarfilm be kannt, der sich nur mit dieser Raubkatze beschäftigte.
Ich muss das mal googeln, dachte sie nachdenklich, bevor sie zu ihrer Mutter in die Küche ging.
Charlotte wollte heute kochen und hatte dafür groß ein gekauft, bei Käfer, dem Feinkostgeschäft
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