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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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daß ein Band ihre Haare zusammenhielt, so daß sie ihr nicht mehr in die Stirn fielen, und daß sie einen alten himmelblauen Nylonbademantel mit rautenförmigen Zierstichen trug. Die Haut ihres für die Nacht zurechtgemachten Gesichts leuchtete wie Wachstuch. Ein Duft von Creme und Lotionen lullte mich ein. Aber anders als sie glaubte, gefiel sie mir so. Sie war vielleicht nicht so hübsch, wie wenn sie am frühen Morgen loszog – für meinen Geschmack machte sie sich da sogar ein wenig zu schön, war ich doch nicht derjenige, der in den Genuß kam –, aber ich sagte mir, zumindest mogelt sie mir gegenüber nicht, und das liebte ich an ihr.
    Die sechs Etagen nahm ich stets im Laufschritt. Wenn ich dann meine Taschen leerte, schaute ich zu, wie sich ihr Bademantel öffnete. Sie drückte sich tief in den Sessel, streckte die Beine aus, und plötzlich offenbarte sich mir ihr Körper, einzig ihre Arme blieben umhüllt. Und wenn ich es noch so oft erlebt hatte – soviel Nacktheit lähmte mich, die Helligkeit ihrer Haut überwältigte mich sekundenlang, und ich spürte, daß mir etwas den Atem nahm, dieses Etwas, das sie mir injiziert hatte und das mich entwaffnete, es raubte mir jegliche Willenskraft und lieferte mich ihr auf Gedeih und Verderb aus. Allerdings, beunruhigt war ich deswegen nicht, ich kam damit bestens zurecht. Hätte sie mir die Freiheit geschenkt, ich hätte sie angefleht, mich wieder anzuketten. Ich hatte keine Lust, über all das nachzudenken. Wenn es ein Gift war, sollte es ruhig mein ganzes Blut erfassen.
    Als nächstes spreizte sie die Beine. Sie schob die Finger in ihren Mund und beobachtete, welche Wirkung es auf mich hatte, wenn sie ihre Scham wienerte. Ich hatte gelernt, nichts zu überstürzen. Im Gegensatz zu Ramona, die nichts von mir verlangte und sich meinen Launen beugte, ließ mich Anna keineswegs tun, was ich wollte. Ich mußte warten, durfte nicht einschreiten, solange sie es sich selbst machte, und vor allem mußte ich ihr dabei zuschauen, aber das, das versäumte ich nie. Ihr Gesicht verzog sich, ihre Wangen wurden immer röter und ihr Lächeln zu einer Grimasse, je mehr sie sich befingerte, und danach warf sie ein Kissen zwischen ihre Knie und forderte mich ächzend auf, Platz zu nehmen. Sie sagte: »Ich seh, du hast Lust, mich zu lecken!« oder »He, du stirbst ja vor Geilheit!«, und einmal hatte ich zur Antwort gegeben: »Wie hast du das nur erraten?«, aber das hatte sie gar nicht lustig gefunden, und mittlerweile blieb ich lieber still. Es störte mich nicht, daß sie ihre kleinen Macken hatte, ich wünschte nur, all ihre Geheimnisse zu ergründen, ich wünschte, alles zu erfahren. Zu diesem Zweck hatte sie mir die Übung bis ins geringste Detail beigebracht. Überdies war das gar nicht so einfach, wie man annehmen könnte, das war die Arbeit eines Uhrmachers, knifflig und präzis. »Weißt du«, hatte sie mir erklärt, »das ist etwas anderes, als ein Eis zu schlecken!«
    Wir machten es jeden Abend, wenn ich zurückkam. Ich dachte bereits eine Stunde vorher daran und fing an, mit leerem Blick am Klavier mitzusummen. Die Tage hatten keinen Reiz mehr, ich lebte nur für diese wenigen Augenblicke, in denen wir uns wiedersahen, in denen ich in die Wohnung zurückfand und mich ihr zu Füßen werfen wollte. Ansonsten verlangte ich nichts. Meine Mutter meinte am Telefon: »Ich weiß, was das für dich bedeutet … Das ist bestimmt eine Erfahrung, die du machen mußt …« Ich glaube, sie kapierte nicht, daß ich nichts anderes suchte.
    Der Nebel, der mich einhüllte und für meinen Seelenfrieden sorgte, lichtete sich in dem ganzen Sommer nur zweimal, doch da rannte ich gegen eine Mauer, die mich übel zu Boden beförderte. Das erste Mal war, als sie ihre Tage hatte. Ich war nicht besonders scharf darauf, irgend etwas zu unternehmen, doch sie beschloß, daß ich auf dem Sessel schlafen sollte, und ich verbrachte eine fürchterliche Nacht, in der ich mir unentwegt meinen Ärger verbiß. Der zweite Zwischenfall ereignete sich eines Abends, als sie mich besonders in Wallung gebracht hatte. Sie war mehrfach regelrecht in die Höhe gefahren, und bei den Lauten, die sie ausgestoßen hatte, bei dem Eifer, den ich entwickelt hatte, um ihr auch noch den letzten Seufzer zu entlocken, und bei dem zärtlichen Zwinkern, mit dem sie mich bedacht hatte, als ich mein Ding in ihren Mund schob, glaubte ich mir ein gewisses Überströmen erlauben zu dürfen, das ich bislang stets unterdrückt hatte.

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