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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Sie sprang im gleichen Moment vom Sessel, rannte ins Badezimmer, und dann hörte ich sie spucken, husten, würgen, als hätte sie eine Gräte verschluckt. Ich konnte es nicht fassen. Ich wagte nicht einmal zu fragen, was sie hatte. Dann war sie wutentbrannt zurückgekommen. »Mach das mit mir nie wieder! Hältst du mich für eine Nutte??!!«
    So war sie. Es gab Dinge, die sie mochte, und solche, die sie nicht mochte. Und abgesehen von diesen beiden unglücklichen Zusammenstößen verbrachten wir einen friedlichen Sommer, ganz damit beschäftigt, wenn wir uns wieder angezogen hatten, unser Geld zu zählen oder durch das Viertel zu schlendern und die Fahrzeuge zu inspizieren, die am Straßenrand standen.
    Eines Tages, ich lag halb unter einem Käfer, begegneten wir David.
    »Meine Güte, ich dachte schon, ihr seid tot!« sagte er zu uns.
    Wir hatten uns ewig nicht mehr gesehen, das letzte Mal, als ich mit meinem durchlöcherten Darm und meiner Magensonde im Krankenhaus gelegen hatte. Sein Erscheinen zwei Monate später war wie ein Schock. Ich hatte Lust, ihn in die Arme zu schließen, und gleichzeitig wäre ich am liebsten weggerannt.
    »Für zwei Tote geht’s uns ganz gut«, erwiderte sie ziemlich kühl.
    Sie mochte die Leute nicht besonders, mit denen ich näher oder auch nicht so nah bekannt war. Sie fand, ich müßte mit der Vergangenheit brechen, wenn ich es zu etwas bringen wollte. Die meisten ihrer Freunde waren in Urlaub, aber sie hatte vor, sie mir gleich nach Ferienende vorzustellen. Ich sollte mir deshalb bloß keine grauen Haare wachsen lassen: Freunde würde ich schon neue gewinnen, und ein schlechter Tausch wäre das nicht.
    Ich spürte, sie hatte es eilig, wegzukommen. Ich schaute David an, mit eingezogenem Kopf, die Hände in den Taschen vergraben.
    »Schön … Na, gut«, sagte er und schickte sich an, weiterzugehen.
    Kaum deutete er dies an, sprudelten die Worte aus meinem Mund: »Und du? Wie geht’s dir?«
    Und das war kein Murmeln, ich hatte unwillkürlich lauter gesprochen als sonst. Das war ziemlich kühn von mir. Ich brauchte Anna nicht anzuschauen, um zu wissen, daß sie die Zähne zusammenbiß und lautlos tobte. Aber Davids Lächeln belohnte mich für die elende Viertelstunde, die mir bevorstand.
    »Nicht schlecht«, sagte er. »Aber warum sieht man sich gar nicht mehr?«
    In meiner Begeisterung rückte ich meine Telefonnummer heraus. Ich machte mich darauf gefaßt, daß mir der Himmel auf den Kopf fiel. Statt dessen sah ich Anna, die ich hinter mir wähnte, mit schnellen Schritten davongehen.
    »Verdammt, ruf mich an!« stieß ich hervor, dann machte ich mich im Abendlicht an ihre Verfolgung.
     
    Sie wollte Belushis Bungalow. Ich hatte Oli gesagt, das komme nicht in Frage. Den da oder keinen, solche Schnapsideen hatte sie ständig. Vielleicht lag es ja an mir, weil ich ihr nichts nachsah, doch wie dem auch sei, es lief nicht besonders mit Giuletta und mir.
    In San Diego hätte ich sie fast ertrinken lassen. Ich hatte zweimal hingeschaut, bevor ich mich aus meinem Liegestuhl bequemt hatte. Dann war ich losgegangen, um dem Bademeister mitzuteilen, daß auf dem Grund des Schwimmbeckens ein Mädchen liege. Ich hatte mich nicht einmal erkundigt, was ihr zugestoßen war.
    Danach fuhren wir wieder gen Norden. In Carmel wollte sie im ›Hog’s Breath‹ essen, dem Restaurant von Clint Eastwood, sie erklärte sich bereit, eine halbe Stunde auf einen Platz zwischen den angeheiterten Touristen zu warten, die froh waren, da zu sein, die Gesichter verbrannt, leuchtend rot wie Pavianärsche. Ich vermochte ihr nicht begreiflich zu machen, daß sie außerhalb der Saison hierher kommen müßte, wenn der Ort friedlicher sei. Sie hatte einen Tobsuchtsanfall gekriegt. Ich hatte ihr das Wirtshausschild gezeigt, einen Schweinekopf aus schwarzem Holz, und hatte mich gegenüber in ein exzellentes mexikanisches Restaurant gesetzt. In Big Sur kurz darauf war ihr dagegen zuwenig los.
    Als wir wieder zum Sinn-Fein-Ballett stießen, empfand ich das fast als Erholung. Da konnte ich mich von ihrer Gesellschaft ausruhen. Verglichen mit ihr waren dreißig Leute ein einziges Vergnügen. Ohne Oli hätte ich einen wahren Albtraum durchlebt, oder ich hätte sie mit Medikamenten vollgestopft und am Straßenrand abgesetzt.
    Zumal sie nicht halb so gut tanzte, wie er behauptete. Und Jérémie war sich noch nicht sicher, er sagte, man müsse abwarten. Er meinte, vielleicht würden wir uns noch wundern. »Sei mal einen Tag lang

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