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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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seinem Bett hochfuhr, wenn sich die bluefish der Küste näherten.
    Er hatte sich in Luft aufgelöst. Ich suchte mit dem Fernglas die Lagune ab, in der Hoffnung, das Kielwasser von einhundertfünfzig Pferdestärken zu sichten und meinen Mann am Heck, aufrecht stehend, fest verankert wie ein Totempfahl, unbeeindruckt von den Erschütterungen, die unsereinen über Bord gekippt hätten. Oder ich stellte mir vor, er würde in einem Augenblick auftauchen, wo niemand damit rechnete, und ich träfe ihn eines Morgens am Strand an, wie er unsere Angelruten aufstellte oder blinzelnd die Treppe inspizierte. Aber er zeigte sich nicht.
    »Und was wirst du jetzt tun? Muß ich eine Baugenehmigung beantragen?«
    Seit sie Giuletta gekostet hatten, ließen uns die Mücken in Ruhe. Sie kreisten um das erleuchtete Haus, zwangen ihr Opfer, uns nicht mehr auf der Pelle zu hängen. Oli gefiel seine neue Treppe nicht so gut, ihm war die alte lieber, so wacklig und verfault sie auch war. Was ich, bei Licht besehen, nur normal fand.
    »Nein, sei unbesorgt«, antwortete ich ihm.
     
    17. Juli 1961
    Gestern schrieb ich, daß etwas nicht stimmt. Daß ich noch nie jemanden gesehen hätte, der einen Tag bevor er aus dem Krankenhaus kommt, solch ein Gesicht macht. Aber damit hatte ich nun nicht gerechnet.
    Sie haben mir nichts davon erzählt, kein Wort haben sie gesagt! Klammheimlich haben sie das ausgeheckt. Wenn ich bedenke, daß er mir das vierzehn Tage lang glatt verschwiegen hat, daß er nicht mal Oli ins Vertrauen gezogen hat … das übersteigt meine Vorstellungskraft.
    »Ich ziehe aus. Ich werde bei Anna wohnen.« Wir standen um ihn herum, lauter Idioten, bereit, ihn zu küssen, ihn in unsere Arme zu schließen, um seine Rückkehr zu feiern. »Ich werde bei Anna wohnen …« Er war leichenblaß. Seine Stimme war nicht besonders laut, aber keiner hat ihn gebeten, das noch einmal zu sagen. Es herrschte ein Schweigen, daß man die Sonne an den Fensterscheiben hörte. Und danach hat niemand mehr einen Ton gesagt.
    Bevor ich mir das weiter ansah, bin ich lieber auf mein Zimmer gegangen. Er darf sich rühmen, mich fertiggemacht zu haben. Und keine Minute später sah ich sie im Garten, Elisabeth und ihn. Sie redete mit ihm, und sie küßte ihn. »Geh, mein Sohn … du hast meinen Segen!« Etwas in der Art muß es gewesen sein. Er hatte keinen Grund, sich zu zieren.
    Danach kam Oli in mein Zimmer. Er hat sich wortlos aufs Bett gesetzt. Ich habe ihm gesagt, das brächte nichts, mich so anzuschauen.
     
    18. Juli 1961
    Ich war nicht bei der Sache. Und es war sehr heiß, ich war nicht recht in Stimmung. Ich bin direkt danach unter die Dusche gegangen. Als ich zurückkam, war ich gereizt, und statt mich in Ruhe zu lassen, hat David angefangen.
    »Ich hab dich noch nie dazu gezwungen. Also, was ist los mit dir?!« Ich hatte keine Lust zu diskutieren, aber das hat er nicht begriffen.
    Er ist unzufrieden. Ich spüre, daß er ein Heidentheater darum machen wird. Ich weiß, daß das nicht toll war. Ich wollte nur, daß er aufhörte. Er fügt hinzu, unter diesen Umständen würde er lieber darauf verzichten. Und weil ich nicht noch Öl ins Feuer gießen will, erkläre ich ihm nicht, daß ich auch darauf verzichten könnte, und zwar öfter, als er glaubt. Und nicht, weil mir das nicht gefällt. Nein, aber ich bin auch nicht verrückt danach. Solange man es noch nicht gemacht hat, meint man, das muß das größte Vergnügen auf Erden sein. Da kann man durchaus ein wenig enttäuscht sein. Ich selbst, ich komme allein am besten klar.
    Er sagt: »Liegt das an dieser Geschichte?«
    Ich kehre ihm den Rücken zu. Ich zünde mir eine Zigarette an.
    Und er fährt fort: »Ich wüßte nicht, was dich das angeht … Er kann doch tun, was er will.«
    Ich antwortete, das könne er nicht verstehen. Dann ziehe ich mich rasch wieder an. Was bei uns zu Hause vorgeht, kann niemand anderer verstehen. Niemand kann verstehen, was Henri-Johns Weggang bedeutet. Heute morgen bin ich in sein Zimmer gegangen, und ich fühlte mich unwohl. Nicht daß mir übel war, nein, das tat weh, so als hätte mich jemand geschlagen. Ich wüßte nicht, wie ich das David erklären könnte. Außerdem, warum sollte ich es ihm erzählen?
    Das ist das erstemal, daß ich beim Rausgehen die Tür zuknalle. Es gibt immer ein erstes Mal. Jedenfalls wollte ich allein sein.
     
    19. Juli 1961
    Ich streite mich mit Gott und der Welt. Das ist keine Absicht. Ich könnte von morgens bis abends in die Luft gehen. Und

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