Pas de deux
bringen, zumindest meine Schenkel. Und plötzlich wird es schwül, oder es liegt an mir oder an meinen Haaren, die noch naß sind. Meine Stirn wird feucht, und auch meine Handflächen. Ich glaube, er erzählt mir gerade irgendeine alte Geschichte, ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist, irgend etwas, das bestimmt mit » Weißt du noch, damals, als … usw.« angefangen hat. Er wirkt ganz weich, das ist alles, was mich interessiert. Ich vermeide es, ihn anzusehen, um ihn nicht zu stören, ich schließe halb die Augen, als wäre ich in unsere Abenteuer versunken, und tatsächlich lasse ich mich von seiner Stimme fast einlullen.
Ich habe Durst, aber ich wage es nicht, ihn um etwas zu trinken zu bitten. Ich habe das Gefühl, eine falsche Bewegung oder ein Geräusch kann alles kaputtmachen. Ich habe mich leicht parfümiert, bevor ich kam. Bevor ich das Badezimmer verließ, habe ich in den Spiegel geschaut, und ich dachte, wahrscheinlich gefallen ihm meine Brüste nicht, aber das hat mich nicht deprimiert, ich habe ununterbrochen gelächelt, bis ich losgegangen bin. Ich war in Hochform. Schließlich habe ich Karen Platz gemacht, die seit Stunden gegen die Tür hämmerte, und ich habe sie nicht zum Teufel gejagt. Im Wohnzimmer habe ich ein bißchen aufgeräumt, ohne daß mich jemand darum gebeten hätte. Dann habe ich Papa geholfen, einen Brief zu übersetzen, den er Cunningham schrieb wegen Antic Meet und der Dinge, um die wir John Cage bitten müssen, weil Ramona schon ganz verzweifelt ist. Ich wollte wissen, warum er mich so anguckte, und er meinte, nur so, ich sei die Sommersonne. So etwas könnte ich nie erfinden. Normalerweise hätte ich zum Himmel aufgeschaut, aber diesmal zögerte ich, ich wäre ihm fast um den Hals gefallen. Ich möchte nicht wissen, welch finstere Bilder ich ihm in diesem Moment einflößen würde. Selbst mein Zimmer wirkt trostlos.
Ich habe mich in den letzten Tagen wie eine selige Idiotin verhalten. Ich konnte mich nicht entschließen. Ich stellte mir Fragen über Fragen, das Ganze kam mir so ungeheuerlich vor, so verrückt und unvorstellbar, daß ich kein einziges Mal bedachte, was ich andererseits dabei gewinnen würde. Beziehungsweise, das schien mir sonnenklar … Es verstand sich von selbst, daß alles wieder gut würde, wenn ich es täte. Ich versuchte mich ununterbrochen zu überzeugen, daß es keinen anderen Weg gab, daß das nicht mehr warten konnte, und ich lachte über mich und meine Skrupel, was habe ich nicht gestern noch geschrieben, Zitat: »Mach nicht so ein Theater um diese Sache. Sei nicht dumm. Laß es sein, wenn du nicht willst, aber verschone mich bitte mit deinem Getue. Wenn du nur die Hälfte von dem bist, was du dir einbildest, dann würdest du tun, was zu tun ist, ohne über deinen ganzen kitschigen Kram nachzugrübeln.« Naja, das war natürlich leicht gesagt. Und was habe ich jetzt davon? Da habe ich nun meine Glanzleistung vollbracht, und wo ist meine Belohnung, wo die Hände, die mir Beifall klatschen, wo ist in all dieser lyrischen Scheiße mein Lächeln abgeblieben?
Während er sprach, habe ich einen Weg gefunden, unauffällig den Knoten meines Frotteetuchs zu lösen. Nicht daß ich Angst hatte, das könnte ihm Schwierigkeiten bereiten (schon bei dem bloßen Gedanken, einen aufzumachen, fängt er an zu lächeln), aber die Zeit verging, und er begnügte sich damit, fast unbewußt meine Zehen zu streicheln, als säße er auf einem Feld und spielte mit einem Grashalm. Bei dem Tempo wären wir in hundert Jahren noch nicht soweit. Ich konnte ihn jedoch verstehen, ich hatte ihn stets in seinem Schwung gebremst, und ich mußte gestehen, an seiner Stelle hätte ich es mir auch zweimal überlegt. Der arme Schatz wartete sicher auf ein Zeichen.
Nun denn, er hat es bekommen. Ich weiß nicht, ob er zu nah an der Bettkante lag oder was, jedenfalls ist er glatt auf den Boden gekippt. Das Handtuch war kaum gefallen, da verschwand er mit einem dumpfen Geräusch.
Ich stütze mich auf den Ellbogen. Er ist ein wenig blaß. Ich frage ihn, ob alles klar ist. Und er klettert wieder aufs Bett.
Ich war stinksauer, als ich wieder ging, und ich bin es noch, das kommt stoßweise, und ich muß immer wieder eine Pause machen, sonst schreibe ich hier alles mögliche über ihn, ich muß warten, bis ich mich wieder beruhigt habe. Es fällt mir im Augenblick schwer, das ganze Glück zu schildern, das er mir gegeben hat, es geht mir gegen den Strich, aber ich werde es versuchen, ich will
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