Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
Ein wenig theatralisch.
    »Paß auf, ich wüßte für den Übergang vielleicht eine Lösung, wenn sie dir zusagt …«
    Sie forderte mich auf, ihr zu folgen. Wir gingen durch den Garten, ohne ein Wort zu sagen, zu einer Stunde, wo die Milde des Septembers trotz all unserer Probleme wie eine kleine boshafte Fee an der Vollkommenheit der Abenddämmerung bastelt. Ich stand noch unter der Wirkung der Zeitverschiebung, mein Verstand arbeitete in Zeitlupe, und als wir auf den Werkzeugschuppen zugingen, fragte ich mich, ob sie mir etwa erst das Gerät zeigen wollte, bevor sie mir eine Stelle als Gärtner anbot.
    »Ich brauche ihn einstweilen nicht«, erklärte sie mir, während sie die Tür öffnete.
    Thoreau hatte zwei Jahre auf noch engerem Raum gelebt. (»I have thus a tight shingled and plastered house, ten feet wide by fifteen long, and eight-feed posts, with a garret and a closet, a large window on each side, two trapdoors, one door at the end, and a brick fireplace opposite.«) Es gab keinen Wald und keinen See, aber Strom, Telefon und fließendes Wasser.
    »Ich brauchte etwas Ruhiges, um mein Buch zu beenden …«, fügte sie hinzu. »Ich habe ihn nach deiner Abreise ausbauen lassen.«
    Ich hoffte, der Ort würde mich mehr inspirieren. Weißes Holz vom Boden bis zur Decke, ein Fenster, ein Sofa, ein Stuhl und ein Tisch. Das Ganze ergab einen Raum von leicht spartanischem Zuschnitt, eine karge Zelle mit einem Geruch nach Harz und kaltem Tabak.
    »Irgendwo muß ein Kohleofen sein. Und du kannst das Bad im Erdgeschoß benutzen, das heißt, am besten vormittags …«
    Das war ebenso unverhofft wie erniedrigend. Ich hätte ihr die Hände küssen oder sie fragen können, ob ich so aussähe.
    »Nun, wie entscheidest du dich?«
    Ich erlaubte mir, sie als Dank für ihre Mühe ein, zwei Sekunden lang anzustarren. Ich hätte ihr gern gesagt, daß sie ihre letzte Chance hatte verstreichen lassen, mich loszuwerden. Mag sein, daß das an der Müdigkeit lag, an dem Ortswechsel, an diesen zwanzig Quadratmetern festen Bodens, die sie mir hinten im Garten bewilligte, ich wußte jedenfalls nicht genau, was der Grund für dieses leise Wohlbehagen war, das mich in diesem Augenblick beschlich. Dazu kam – vielleicht beruhte auch das nur auf einer spontanen Illusion – dieses Gefühl, daß mein Fall ein Ende nahm. Daß ich bei meiner Strampelei im Dunkeln irgend etwas mit den Fingerspitzen erhascht hatte, kurz bevor ich am Boden zerschellt wäre.
    »In der Tat … Ich glaube, das hilft mir erst mal weiter …« habe ich ihr geantwortet.
     
    Ich bin ihr in den nächsten Tagen nicht oft begegnet. Ich habe es auch nicht darauf angelegt. Ich fand, es war besser, wenn ich ihr für den Anfang nicht zu sehr in die Quere kam. Sie hatte mich am ersten Tag, aber ausnahmsweise, zu ihrem Abendtisch eingeladen, aber ich hatte mich lieber zu meiner Mutter verzogen. Ramona und sie hatten mich verhätschelt wie in alten Zeiten, und das war genau, was ich brauchte. Später mußte ich Eléonore zur Vernunft bringen, sie drohte nämlich, ihre Mahlzeiten nicht mehr zu Hause einzunehmen, solange ich davon ausgeschlossen war. Ich mußte ihr erklären, daß ihre Haltung die Lage höchstens verschlimmern werde, und ihr schwören, daß ich sie mindestens einmal die Woche in meine Kammer einladen würde und daß sie, wann immer sie wollte, einen Kaffee bei mir trinken konnte.
    Ich mietete ein anständiges Klavier. Als sie sah, wie es durch den Garten transportiert wurde, wurde Edith schwach. Sie kam rüber, um mir zu sagen, daß ich, wenn ich wollte, na ja, wenn wir uns auf bestimmte Zeiten einigen konnten, daß ich dann … von Zeit zu Zeit … auf meinem Bösendorfer spielen durfte. Ich dankte ihr. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich für den Heckmeck zu entschuldigen, den ich mit meinem ständigen Hin- und Herlaufen verursachte, ganz zu schweigen von meinen häufigen Ausflügen in den Keller, wo ich mir das für meine Einrichtung nötige Material beschaffte.
    Wenn ich morgens aufstand und mich in dem Türrahmen meiner Hütte räkelte, sah ich sie in der Küche. Ich nickte ihr kurz zu, aber mehr auch nicht, nur eine kleine Demonstration guter Nachbarschaft, höchstens ein schlichtes »Schönes Wetter heute!«, das ich mir manchmal abnötigte, wenn das Fenster offen war und sie die Augen eine Sekunde oder länger auf mich richtete.
    Ein paar Tage vor Schulbeginn schaute ich in Saint-Vincent vorbei. Heissenbüttel fand, ich sähe blendend aus. Er lachte

Weitere Kostenlose Bücher