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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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man die Nase zur Tür hinaus, blieb einem nichts erspart. Die Regeln waren für alle gleich, Teenager hin, Teenager her. In der Schule brachte man ihnen das Wesentliche nicht bei. Man machte sich über sie lustig.
    Ich hatte nicht vor, noch am gleichen Tag nach Cape Cod zurückzufahren. Da waren diese Sachen mit den Blutungen und dem Fieber, auf das man zu achten hatte, und ich wäre lieber in der Nähe der Stadt geblieben. Aber sie wollte nichts davon wissen. Ich fand nicht die richtigen Worte, um darauf zu bestehen. Ich wollte sie zum Wagen tragen oder wenigstens stützen. Sie gab mir zur Antwort, sie sei doch nicht krank.
    Sie schlief fast auf der Stelle ein, eingelullt von was weiß ich. Ich legte meinen Arm um ihre Schultern. Ich betete, daß sie sie mir nicht kaputtgemacht hatten.
    Ein paar Tage später flogen wir nach Paris zurück, zusammen mit den letzten Urlaubern. Ich fand das nicht besonders gelungen, wenn man bedachte, was diese Reise für mich bedeutet hatte, aber das war nicht so schlimm, ich hatte mir nichts Bestimmtes ausgemalt, vielleicht sollte es nicht ganz so farbenfroh sein.
    Ich hatte im Flugzeug kein Auge zugetan. Im Taxi schaute Eléonore mich an, und ich schaute nach draußen. Ich war ein wenig müde, meine Sachen waren zerknittert.
    Als die Tür aufging, stand ich hinter Eléonore. Edith stand hinter Evelyne. Es kam zu einem leichten Durcheinander im Eingang, weil sich allerlei Sachen drängten und anstießen. Ich hob Evelyne in meine Arme, während sich Eléonore um ihre Mutter kümmerte. Danach hatte ich das Gefühl, etwas sagen zu müssen, wenn ich Edith schon nicht küssen konnte, denn wir schauten uns an, während unsere Töchter ihre Mienen spielen ließen.
    »Ich würde gern einen Kaffee trinken …« erklärte ich.
    Wir hatten sie vom Flughafen aus angerufen, und sie erwarteten uns zum Frühstück. Ich ließ meinen Koffer neben der Tür stehen.
    Frühstück gab’s nicht in der Küche, sondern im Wohnzimmer, auf dem niedrigen Tisch, und es gab Blumen, Croissants, Marmelade und weichgekochte Eier in kleinen Warmhaltebeuteln. Ich bestellte einen Orangensaft und ließ mich auf einem Sessel nieder, den ich einst über alles geliebt und sozusagen mit meinem Körper ausgehöhlt hatte. Ich spürte, daß er während meiner Abwesenheit benutzt worden war, daß er eine Art Gehirnwäsche mitgemacht hatte. Ich stellte fest, daß die Gartenpflege zu wünschen übrigließ, daß mein Schreibtisch mit Hilfe eines Zierdeckchens zu einem Verkaufsständer für chinesische Porzellanvasen umgestaltet war und daß ein Porträt von mir im Anzug, ein Bild anläßlich meiner Teilnahme am Marguerite-Long-Preis, an der Wand fehlte. Ich hatte ohnehin keinen Hunger.
    Edith saß wie auf heißen Kohlen. Ich fühlte mich auch einigermaßen befangen, doch die Mädchen übernahmen es, das Gespräch zu beleben. Ich sagte von Zeit zu Zeit ein paar Worte, über ein Restaurant in New York oder die Flora von Neuengland. Ich hatte Lust, Edith anzuschauen, aber anscheinend störte es sie, wenn ich meine Augen auf sie richtete, und die Blicke, die wir wechselten, waren eine einzige Folter.
    Ich weiß nicht, wieso ich trotz meiner Anspannung und zudem inmitten all dieser hübschen Mädchen schließlich eingeschlafen bin. Jedenfalls wurde ich, tief in meinem Sessel versunken, am späten Nachmittag wieder wach. Edith saß mir gegenüber. Das war ein Traum, den ich in den letzten Monaten so oft gehabt hatte, daß ich mich nicht darüber wunderte.
    »Verflixt, tut mir leid«, erklärte ich und fuhr mir mit der Hand durch die Haare.
    Sie hatte wieder Kaffee gekocht. Sie war ein wenig angespannt. Ich richtete mich auf, während sie unsere Tassen vollschenkte. Es war nichts zu hören.
    »Und … Was wirst du tun?« fragte sie mich halb murmelnd, dabei schlug sie die Beine übereinander und blickte von ihrer Tasse zu mir auf.
    »Nichts. Ich denke, ich werde meine Kurse in Saint-Vincent weiterführen. Oli hat mir angeboten, mit ihm zusammenzuarbeiten, aber ich kann mich nicht dazu aufraffen …«
    »Hast du eine Wohnung gefunden oder etwas in der Art?«
    Ich versuchte zu vergessen, daß ich in meinem Haus war. Es gab bestimmt noch andere Reflexe, die ich zu unterdrücken hatte, jetzt, da ich zurück war.
    »Gott … Ich bin gerade erst eingetroffen. Ich werde wohl erst mal in ein Hotel gehen. Ich müßte mich vielleicht darum kümmern … Du hättest mich wecken sollen.«
    Sie holte tief Luft. Das war ihre schriftstellerische Seite.

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