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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Gesicht färbten. Daß ihr Grölen lauter und lauter erschallte und die Luft jeden Tag mehr verpestete. Daß sie sich auf dem Elend der Völker betteten. Daß Dummheit, Angst und Unwissenheit, aber auch der Haß, den die Rassen einander einflößen, ihre Bettücher waren. Daß die Religion, die sie nach Gutdünken manipulierten, ihr Schwert war. Daß ihre Macht von unfähigen, feigen, dummen, korrupten, zynischen, verächtlichen Politikern herrührte, die alle zur Verzweiflung trieben. Daß ihre Leier quer durch alle Kontinente Fremdenhaß, Rassismus, Völkermord, Verfolgung hieß. Daß in ihren Gesang Mörder, Gangster, Ganoven, Dealer, gemeingefährliche Irre, Schweinehunde, Industrielle, Bankiers, Bullen, Anwälte, Richter, Waffenhändler einstimmten, die alle ihre Finger im Spiel hatten und sich die Hände rieben. Und daß wir zu guter Letzt die Welt ebenso schmutzig hinterließen, wie wir sie vorgefunden hatten.
    Das war also das erste Mal, daß wir ein paar Allgemeinplätze austauschten, ein Glas leerten und einander gegenübersaßen, ohne uns einer bestimmten Aufgabe zu widmen, es sei denn, die Sintflut aus dem Augenwinkel zu betrachten und Oliven zu knabbern. Alles in allem zogen wir uns ganz gut aus der Affäre. Manchmal zog Schweigen auf, aber das hatte nichts Peinliches an sich. Finn war eine geheimnisvolle und lustige Person. So zum Beispiel, als er mir gestand, daß er nicht viel lese, doch kurz darauf, als er auf die Nixon- und Reagan-Jahre zu sprechen kam, empfahl er mir Vineland, das letzte Buch von Thomas Pynchon.
     
    »Keine Angst, du kannst ruhig Löcher hauen!« rief er mir oben von der Klippe zu.
    Ich hatte keine Angst, Löcher zu hauen, ich hatte Angst, auf die Schnauze zu fallen. Ich hing über dem Nichts, am Ende eines Seils, und ich mußte hacken und buddeln, ohne meine Werkzeuge zu verlieren, ohne zu sehr zu schaukeln, ohne mich um das Tau zu scheren, das mir in die Oberschenkel schnitt und mich fallen zu lassen drohte – genauer gesagt: Ich selbst drohte ihm durch die Finger zu flutschen –, ohne mich über die Sonne aufzuregen, die mir den Rücken versengte, und um den Staub, den ich schluckte.
    Trotz allem, ich nahm meine Arbeit ernst. Finn hatte mir, für den Fall, daß ich es nicht begriffen hatte, mehrmals eingeschärft, daß alles weitere davon abhing. Je mehr ich grub, je tiefer wir die Pfähle verankern konnten, die das Ganze tragen sollten, um so besser würde die Treppe halten. »Vielleicht muß man mit der Zeit ein paar Stufen austauschen, aber dann baut man auf was Solides!« Ich hatte ihm geantwortet, so einfach sei das nicht. Trotzdem schwitzte ich Blut und Wasser und legte mich ins Zeug.
    Am Abend – wir hatten sämtliche Pfähle in den Boden gerammt – rührten wir zwei Säcke Zement an und kippten sie Eimer für Eimer in die Aushöhlungen, mindestens sechzig Zentimeter tief. Eine Reihe von Totempfählen, so sahen sie aus, mit Altöl geschwärzt und, kaum daß wir unsere Geräte weggeräumt hatten, mit einer reglosen Möwe gekrönt.
     
    Eines Morgens, ich war allein, kam Richter Collins vorbei, um zu sehen, was ich trieb. Das Radio lief, und ich war gerade dabei, Bretter glattzuhobeln. Er kam auch, um mich zu einem Empfang einzuladen, den er am Abend gab, und obwohl ich davon nicht begeistert war, konnte ich schlecht absagen. Er feierte seinen fünfzigsten Hochzeitstag.
    »Glückwunsch!« sagte ich zu ihm.
    Bevor er mich verließ, hielt er mir sein Zigarrenetui hin, und als ich mir eine nahm und sie lächelnd betrachtete, beugte er sich vor und murmelte mir – für den Fall, daß sich ein Team der CIA im hohen Gras versteckt hatte – ins Ohr: »Was soll man machen, mein Freund? Die Kubaner sind und bleiben die besten!«
    Finn kam mit einem Sack voll Schrauben und verzinkter Muttern zurück. Außerdem brachte er zwei große Diet-Coke, Pizzen, Hähnchensandwichs, Enchiladas und eine Tüte Chips nach Cajun-Art mit. Als Nachtisch hatte er Apfelkuchen gewählt, aber um an die Äpfel heranzukommen, mußte man sich erst, wenn einem danach war, durch eine dicke Zimtschicht kämpfen. Keine Ahnung, ob das an meinen Sorgen oder an der Meeresluft lag, jedenfalls hatte ich kaum noch Appetit, seit ich dort war.
    Die Treppe machte Fortschritte. Uns blieben noch gut zehn Tage bis zu Olis Rückkehr, und das war mehr, als wir brauchten. Ich hatte den Mund gehalten. Ich hatte ihm erzählt, daß ich vor lauter Lesen, Spazierengehen, Klavierspielen und bei den Sechsundsechzig

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