Passagier nach Frankfurt
aus diesem Grund eingeladen worden. Und doch war er sich nicht sicher. Er wusste aus Erfahrung, dass es auch andere Gründe gab. So waren seine Augen mit eiliger Unverbindlichkeit, den Anschein wahrend, dass sie nichts Besonderes wahrnahmen, immer in Bewegung.
Vielleicht war einer der Gäste aus einem bestimmten Grund bedeutsam. Jemand, der geladen war – nicht als Ersatz – im Gegenteil, jemand, der eine Auswahl von Gästen einladen ließ, die in seinen – oder ihren – Kreis passten. Er fragte sich, wer es sein könnte.
Cortman wusste natürlich Bescheid. Vielleicht auch Milly Jean.
Bei Ehefrauen wusste man nie. Manche waren bessere Diplomaten als ihre Ehemänner. Auf manche konnte man sich verlassen wegen ihres Charmes, ihrer Anpassungsfähigkeit, dem Bestreben zu gefallen und ihres Mangels an Neugier. Andere wieder, dachte er reumütig, waren für ihre Ehemänner eine Katastrophe. Es gab Gastgeberinnen, die, auch wenn sie Prestige oder Geld eingebracht hatten oder eine diplomatische Heirat gewesen waren, jederzeit in der Lage waren, das Falsche zu tun oder zu sagen und unglückliche Situationen herbeizuführen. Wollte man sich davor schützen, so benötigte man einen Gast oder besser mehrere Gäste, die sozusagen als professionelle Wogenglätter fungierten.
War diese Dinnerparty heute Abend noch etwas anderes als ein gesellschaftliches Ereignis? Sein geübtes, aufmerksames Auge hatte bereits den ganzen Tisch erfasst und ein oder zwei Leute herausgepickt, die er noch nicht ganz einschätzen konnte. Einen amerikanischen Geschäftsmann. Angenehm, gesellschaftlich allerdings nicht brillant. Ein Professor an einer der Universitäten im Mittelwesten. Ein Ehepaar, der Mann Deutscher, die Frau auffallend, nahezu aggressiv amerikanisch. Eine sehr schöne Frau. Sexuell höchst anziehend, dachte Sir Stafford. War einer von ihnen wichtig? Buchstabenkombinationen gingen ihm durch den Kopf. FBI. CIA. Der Geschäftsmann war vielleicht von der CIA und aus einem bestimmten Grund hier. So lagen die Dinge heute. Es war nicht wie früher. Wie hieß das Schlagwort? «Big Brother is watching you» – der Große Bruder beobachtet dich. Ja, heute ging es sogar noch weiter. «Der Transatlantische Cousin beobachtet dich.» Aber das war auch nur ein weiteres Schlagwort. Die Hochfinanz von Mitteleuropa beobachtet dich. Hier wurde die diplomatische Schwierigkeit verlangt, du sollst ihn beobachten. Ach ja. Heute steckte meist mehr hinter den Dingen. Aber war das auch nur ein Schlagwort, eine Formel, eine neue Mode? Sollte es wirklich mehr bedeuten, etwas Lebenswichtiges, Reales? Wie sprach man heute überhaupt über die Ereignisse in Europa? Der Gemeinsame Markt. Nun, das war schon in Ordnung, da ging es um Handel, um die Wirtschaft, die Beziehungen der Länder untereinander.
Das war die Bühne, auf der man agieren musste; aber was befand sich hinter der Bühne, backstage? Warten auf das Stichwort. Bereit sein zu soufflieren, wenn es nötig war. Was war los in der großen Welt, was geschah im Hintergrund? Er war sich nicht sicher.
Manches war ihm bekannt, anderes erriet er. Über einige Dinge weiß ich gar nichts, dachte er, und keiner will, dass ich etwas erfahre.
Seine Augen verweilten einen Augenblick auf seinem Gegenüber. Sie trug das Kinn erhoben, ihr Mund war sanft zu einem höflichen Lächeln verzogen. Ihre Augen trafen sich. Diese Augen sagten ihm gar nichts, das Lächeln ebenso wenig. Was tat sie hier? Sie war ganz in ihrem Element, sie passte hierher, kannte diese Welt. Ja, sie fühlte sich hier zu Hause. Er könnte ohne große Schwierigkeiten herausfinden, wo in der diplomatischen Welt sie einzuordnen war, dachte er. Aber würde ihm das verraten, wo ihr wirklicher Platz war?
Die junge Frau in Hosen, die ihn in Frankfurt so unvermittelt angesprochen hatte, sie hatte ein eifriges, intelligentes Gesicht. War das die wirkliche Frau, oder spielte sie nur eine Rolle? Und wenn ja, welche? Da könnte es auch noch mehr als nur diese beiden Persönlichkeiten geben. Das wollte er herausfinden.
Oder war die Tatsache, dass sie ihn um ein Treffen gebeten hatte, ohne Bedeutung? Milly Jean erhob sich. Die anderen Damen taten es ihr nach. Dann gab es plötzlich unerwarteten Lärm. Einen Lärm von außerhalb des Hauses. Rufe. Geschrei. Das Krachen von splitterndem Fensterglas. Rufe. Geräusche – sicherlich Pistolenschüsse. Signora Gasparo klammerte sich an Staffords Arm.
«Was, schon wieder?», rief sie aus. «Dio! Wieder diese
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