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Passagier nach Frankfurt

Passagier nach Frankfurt

Titel: Passagier nach Frankfurt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ersehnen.»
    «Was das angeht», sagte Stafford Nye, «wer ist dazu nicht fähig?»
    Er schüttelte leicht den Kopf. «Sie sehen zu viel», sagte er. «Viel zu viel.»
    Diener öffneten eine Tür.
    «Es ist serviert.»
    Der Ablauf war angemessen förmlich, ja, er hatte einen nahezu majestätischen Anstrich. Die großen Türen am Ende des Raumes wurden aufgerissen und gaben den Blick frei in ein hell erleuchtetes, zeremonielles Esszimmer mit Deckengemälden und drei enormen Kronleuchtern. Zwei ältere Damen kamen auf die Gräfin zu, eine von jeder Seite. Sie trugen Abendkleider, ihr graues Haar war sorgfältig auf dem Kopf arrangiert, jede trug eine Diamantbrosche. Auf Sir Stafford Nye machten sie beinahe den Eindruck von Wärterinnen. Keine Wärterinnen für ihre Sicherheit, eher erstklassige Krankenschwestern, zuständig für die Gesundheit, die Körperpflege und andere intime Einzelheiten im Leben der Gräfin Charlotte. Nach einer respektvollen Verbeugung ließ jede einen Arm unter Schulter und Ellbogen der sitzenden Frau gleiten. Mit durch lange Übung entstandener Leichtigkeit und mit ihrer eigenen Anstrengung – offensichtlich alles, was sie tun konnte – brachten sie sie auf würdevolle Art auf die Beine.
    «Wir gehen jetzt hinein zum Abendessen», sagte Charlotte.
    Sie ging mit ihren beiden Pflegerinnen voran. Aufrecht wirkte sie noch mehr wie eine wackelnde Geleemasse, aber sie war dennoch beeindruckend. Man konnte sie keinesfalls nur als fette alte Frau abtun. Sie stellte etwas dar und wusste, dass sie etwas darstellte und darstellen wollte. Renata und er folgten den dreien.
    Als sie die Flügeltüren des Esszimmers durchschritten, erschien es ihm eher wie eine Banketthalle als ein Esszimmer. Eine Sicherheitsgarde befand sich dort. Große, blonde, gut aussehende junge Männer. Sie trugen eine Art Uniform. Charlotte betrat den Raum, und es gab einen Knall, als jeder Einzelne sein Schwert aus der Scheide zog. Sie kreuzten sie über ihren Köpfen, um einen Durchgang zu bilden. Charlotte richtete sich auf und durchschritt diese Passage, von ihren Pflegerinnen befreit und allein, bis hin zu einem breiten geschnitzten, goldbeschlagenen, mit goldenem Brokat gepolsterten Sessel am Kopfende des langen Tisches. Es war eher wie eine Hochzeitsparade, dachte Stafford Nye. Eine Marine- oder Militärhochzeit. In diesem Fall sicher Militär, rein militärisch – aber ohne Bräutigam. Es waren alles junge Leute von hervorragendem Aussehen, keiner von ihnen über dreißig, schätzte Stafford Nye. Sie sahen gut aus, strotzten vor Gesundheit. Sie lächelten nicht, sondern waren ganz ernsthaft. Sie waren – er suchte nach einem passenden Ausdruck – mit Leib und Seele dabei. Vielleicht doch keine Militärprozession, sondern eher eine religiöse. Die Bedienung erschien, eine altmodische Bedienung, noch aus der Vergangenheit des Schlosses, dachte er, aus der Vorkriegszeit. Es war wie die Kolossalinszenierung eines historischen Kostümstückes. Und darüber herrschte, auf dem Sessel oder dem Thron, wie immer man es nennen wollte, am Kopfende des Tisches, keine Königin oder Kaiserin, sondern eine alte Frau, bemerkenswert wichtig durch ihr Körpergewicht und ihre außerordentliche, intensive Hässlichkeit. Wer war sie? Was tat sie hier? Und warum?
    Warum diese ganze Maskerade, warum diese Truppe, eine Sicherheitsgarde vielleicht? Andere Gäste kamen an den Tisch. Sie verbeugten sich vor der Monstrosität auf dem Präsidententhron und nahmen ihre Plätze ein. Sie trugen normale Abendkleidung und wurden nicht vorgestellt.
    Stafford Nye, mit seiner langjährigen Erfahrung, Leute einzuordnen, betrachtete sie abschätzend. Viele unterschiedliche Typen. Anwälte, da war er sich sicher. Mehrere Anwälte. Möglicherweise Buchprüfer oder Finanzleute; ein oder zwei Armeeoffiziere in Zivil. Sie gehörten zum Stab des Hauses, waren aber auch im feudalen, gesellschaftlichen Sinn Leute, die gewöhnlich ans untere Tischende gesetzt wurden.
    Das Essen wurde aufgetragen. Ein riesiger Schweinskopf in Aspik, kühles, erfrischendes Zitronensorbet, ein überwältigendes Kuchengebäude – ein superber Blätterteig, offenbar von unglaublicher Reichhaltigkeit und Konditorkunst.
    Die ausladende Frau aß gierig, hungrig, sie genoss das Essen. Von draußen waren neue Töne zu hören, vom leistungsstarken Motor eines Supersportwagens. Er schoss wie ein weißer Blitz unter den Fenstern vorbei. Im Raum erschallte ein Schrei von der Sicherheitsgarde.

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