Passagier nach Frankfurt
Gäste, alle beide.»
Irgendwo in den Tiefen des Schlosses begann eine große Glocke zu läuten. Kein Begräbniston, sie hatte eher eine disziplinarische Note. Stafford Nye fühlte sich wie im Kloster, wo gerade zu einer heiligen Handlung gerufen wurde.
«Wir müssen jetzt schlafen», sagte die alte Charlotte. «Wir treffen uns morgen früh um elf Uhr wieder.»
Sie schaute auf Renata und Sir Stafford Nye.
«Man wird Ihnen Ihre Zimmer zeigen. Ich hoffe, Sie werden gut schlafen.»
Stafford Nye sah Renatas Arm zum faschistischen Gruß emporfliegen, der Gruß war jedoch nicht an Charlotte, sondern an den goldhaarigen Knaben gerichtet. Er glaubte zu hören: «Heil Franz Joseph.» Er ahmte die Geste nach und auch er sagte «Heil!»
Charlotte sagte zu ihnen: «Würde es Ihnen gefallen, den morgigen Tag mit einem Waldritt zu beginnen?»
«Das würde mir sehr gefallen», sagte Stafford Nye.
«Und Ihnen, mein Kind?»
«Ja, mir auch.»
«Also gut. Dann wird es veranlasst. Gute Nacht Ihnen beiden. Ich freue mich, Sie hier willkommen zu heißen. Franz Joseph – leih mir deinen Arm. Wir gehen ins Chinesische Boudoir. Wir haben uns viel zu erzählen, und du wirst morgen beizeiten wieder aufbrechen müssen.»
Die Diener eskortierten Renata und Stafford Nye in ihre Gemächer. Nye zögerte einen Augenblick auf der Schwelle. Würden sie wohl ein oder zwei Worte miteinander wechseln können? Er entschied sich dagegen. Solange sie sich innerhalb dieser Schlossmauern befanden, war höchste Vorsicht angebracht. Man konnte nie wissen – die Zimmer konnten mit Mikrofonen ausgestattet sein.
Früher oder später würde er ein paar Fragen stellen mü s sen. Gewisse Dinge weckten finstere Vorahnungen in ihm. Er wurde gerade zu irgendetwas überredet, ja, verführt. Aber wozu? Und wer hatte das veranlasst?
Die Zimmer waren schön, aber stickig. Die üppigen Behänge aus Satin und Samt, einige antik, verströmten ein leicht modriges Aroma, gemildert von Gewürzdüften. Er fragte sich, wie oft Renata wohl schon hier gewesen war.
Kapitel 11
Die Jungen und die Schönen
N ach dem Frühstück am nächsten Morgen, in einem kleinen Frühstückszimmer zu ebener Erde, wartete Renata schon auf ihn. Die Pferde standen vor der Tür.
Beide hatten ihre Reitausrüstung mitgebracht. Alles, was sie benötigen könnten, hatten sie in weiser Voraussicht eingepackt.
Sie saßen auf und ritten über die Schlosseinfahrt davon. Renata unterhielt sich ausführlich mit dem Reitknecht. «Er fragte, ob wir seine Begleitung wünschen, aber ich habe Nein gesagt. Die Reitwege hier sind mir gut bekannt.»
«Ich verstehe. Waren Sie schon einmal hier?»
«In den letzten Jahren nicht mehr so oft. Früher kannte ich diese Gegend einmal sehr gut.» Er warf ihr einen scharfen Blick zu. Während sie neben ihm ritt, beobachtete er ihr Profil – die dünne gebogene Nase, den Kopf, der sich so stolz vom Nacken erhob. Sie war eine gute Reiterin, das konnte er sehen. Aber heute Morgen regte sich ein Unbehagen in ihm. Er wusste nicht genau, warum…
Seine Gedanken gingen zurück in die Flughafenhalle. Zu der Frau, die da auf ihn zugekommen war, plötzlich neben ihm gestanden hatte. Das Pilsglas auf dem Tisch… Da war nichts, was nicht hätte sein sollen – weder damals noch später. Er war das Risiko eingegangen. Warum löste sie jetzt, lange nachdem dies geschehen war, solch ein Unbehagen in ihm aus?
Sie ritten eine kurze Trabstrecke, nach einem Ritt durch den Wald. Es war ein wunderschöner Besitz mit herrlichen Wäldern. In der Ferne sah er Tiere mit Geweihen. Ein Paradies für einen Jäger, ein Paradies für die alte Lebensweise, ein Paradies, das – was? eine Schlange? – enthielt. Wie war es zu Anfang? Es gab immer auch eine Schlange im Paradies. Er zügelte sein Pferd, die Pferde verfielen in Schritt. Er und Renata waren allein – keine Mikrofone, keine lauschenden Wände – die Zeit für seine Fragen war gekommen.
«Wer ist sie?», fragte er eindringlich. «Und was ist sie?»
«Das ist leicht zu beantworten. So leicht, dass man es kaum glauben kann.»
«Nun?», fragte er.
«Sie besitzt Ölquellen. Kupfer, Goldminen in Südafrika. Waffenindustrie in Schweden, Uranminen im Norden. Nuklearforschung, riesige Kobaltvorkommen. All das besitzt sie.»
«Aber ich habe noch nie von ihr gehört, ich kannte nicht einmal ihren Namen, ich wusste nicht –»
«Sie will nicht, dass die Leute darüber Bescheid wissen.»
«Kann man solche Dinge denn geheim
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