Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Passagier nach Frankfurt

Passagier nach Frankfurt

Titel: Passagier nach Frankfurt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
angeordnet, kodierte Sondertelegramme sind an unsere alliierten Nachbarn, an meine Freunde in Deutschland gegangen, denn sie sind jetzt unsere Alliierten in dieser Krise!
    Der Aufruhr muss niedergeschlagen werden! Rebellion! Aufstand! Es besteht große Gefahr für die Menschen, für Frauen und Kinder, für den Besitz. Ich muss jetzt wieder fort, um den Aufstand zu verhindern. Ich werde zu den Aufrührern sprechen, als ihr Vater, ihr Anführer. Diese Studenten, sogar diese Kriminellen, sind meine Kinder. Sie sind Frankreichs Jugend. Darüber werde ich zu ihnen sprechen. Sie werden mir zuhören, die Regierung wird umgebildet werden, sie können ihr Studium wieder aufnehmen, nach ihren eigenen Vorstellungen. Ihre Stipendien waren ungenügend, ihr Leben war ohne Schönheit, ohne Führung. Ich werde ihnen all das versprechen. Ich werde in meinem eigenen Namen sprechen und auch in Ihrem Namen, im Namen der Regierung. Sie haben Ihr Bestes getan. Sie haben gehandelt, so gut Sie konnten. Aber es bedarf einer höheren Führerschaft. Meiner Führung. Ich muss jetzt gehen. Ich habe noch eine ganze Liste von geheimen Telegrammen, die verschickt werden müssen. Atomare Abwehrwaffen, die man in unbewohnten Gegenden nutzen kann, können so in modifizierter Form aktiviert werden, damit sie den Mob in Angst und Schrecken versetzen. Wir wissen allerdings, dass sie keine wirkliche Gefahr darstellen. Ich habe alles durchdacht. Mein Plan funktioniert. Kommen Sie, meine loyalen Freunde, kommen Sie mit mir zusammen.»
    «Marschall, wir können nicht gestatten – Sie dürfen sich selbst nicht in Gefahr bringen. Wir müssen –»
    «Ich werde nicht hören auf das, was Sie sagen. Ich nehme meinen Untergang, mein Schicksal, in Kauf.»
    Der Marschall schritt zur Tür.
    «Draußen befindet sich mein Stab. Meine ausgewählte Garde. Ich werde jetzt gehen und zu den jungen Rebellen sprechen, dieser Blüte der Schönheit und des Terrors. Ich werde ihnen sagen, was ihre Pflicht ist.»
    Er verschwand durch die Tür mit der Geste eines großen Schauspielers, der gerade seine Lieblingsrolle spielt.
    «Bon Dieu, er meint es wirklich ernst!», sagte Monsieur Poissonier.
    «Er setzt sein Leben aufs Spiel», sagte Signor Vitelli. «Wer weiß? Das ist tapfer, er ist ein tapferer Mann. Es ist wirklich tapfer, aber was wird ihm wohl zustoßen? In der Stimmung, in der sich les jeunes gegenwärtig befinden, könnten sie ihn töten.»
    Ein zustimmender Seufzer kam Monsieur Poissonier von den Lippen.
    «Es ist möglich», sagte er. «Ja, sie könnten ihn umbringen.»
    «Das darf man natürlich nicht wünschen», sagte Monsieur Grosjean vorsichtig.
    Doch es war genau das, was Monsieur Grosjean sich wünschte. Er hoffte es, doch sein tiefer Pessimismus sagte ihm, dass selten etwas geschah, was man sich wünschte. In Wirklichkeit hatte er eine viel schrecklichere Vision vor Augen. Es war sehr gut möglich, es lag in der Tradition der Vergangenheit des Marschalls, dass er irgendwie ein Pack aufgeputschter, blutrünstiger Studenten dazu verleiten konnte, auf ihn zu hören, seinen Versprechungen zu glauben und ihn wieder in seine einstige Machtposition zu versetzen. Das war schon ein- oder zweimal in der Laufbahn des Marschalls passiert. Seine persönliche Anziehungskraft war derartig, dass ihr die Politiker gerade dann erlegen waren, als sie es am wenigsten erwartet hatten.
    «Wir müssen ihn aufhalten», rief er.
    «Ja, ja», sagte Signor Vitelli, «er darf der Welt nicht verloren gehen.»
    «Das ist zu befürchten», sagte Monsieur Poissonier. «Er hat zu viele Freunde in Deutschland, zu viele Kontakte, und Sie wissen, dass sie in Deutschland sehr schnell militärische Maßnahmen ergreifen. Die würden sich geradezu auf eine solche Gelegenheit stürzen.»
    «Bon Dieu, Bon Dieu», sagte Monsieur Grosjean und wischte sich über die Stirn. «Was sollen wir tun? Was können wir überhaupt tun? Was ist das für ein Krach? Sind das etwa Gewehre?»
    «Nein, nein», sagte Monsieur Poissonier beschwichtigend. «Das sind nur die Kaffeetabletts aus der Kantine.»
    «Ich wüsste da ein Zitat», sagte Monsieur Grosjean, er liebte Theaterstücke. «Wenn es mir nur einfallen würde. Ein Shakespeare-Zitat. ‹Will keiner mich von diesem –›»
    ‹«… turbulenten Priester befreien›», ergänzte Monsieur Poissonier. «Aus einem Theaterstück von Beckett. Ein Verrückter wie der Marschall ist viel schlimmer als ein Priester. Zumindest sollte ein Priester harmlos sein, obwohl

Weitere Kostenlose Bücher