Passionsfrüchtchen
an. Zwei Polizisten steigen aus dem Wagen. Sie kommen auf sie zu. Sie lässt die Scheibe auf der Fahrerseite herunter.
„Guten Abend“, tönt die dunkle Stimme des Polizisten auf ihrer linken Seite. „Verkehrskontrolle. Sie sind ohne Licht gefahren. Dürften wir mal die Papiere sehen?“
Nina reicht sie ihm durch das Fenster.
„Haben Sie etwas getrunken?“
„Nein, habe ich nicht.“
„Das wollen wir doch mal überprüfen“, erwidert der Beamte. „Bitte steigen Sie aus und kommen Sie mit.“
Sie folgt dem Polizisten. Von hinten macht er eine gute Figur. Nina betrachtet seinen Po. Ganz schön knackig. Sie ist versucht, ihm einen Klaps zu geben. Aber vielleicht ist das ja schon Beamtenbeleidigung? Sie beherrscht sich und folgt dem Polizisten zum Streifenwagen. Als er sich umdreht, blickt sie in das Gesicht von Sven.
Verdammt.
Was hatte Sven hier zu suchen?
Vielleicht sollte sie es doch mit ihrer Lieblingsversion versuchen. Immerhin stand sie da mit dem Rücken zu dem Fremden und konnte ihm nicht ins Gesicht sehen.
Sie versuchte es: Der Bus kam. Sie stieg ein. Der Fremde rieb sich an ihr. Diesmal schien es zu funktionieren. Doch dann – im entscheidenden Moment – streifte ihr Blick einen der Fahrgäste: Sven!
Nina gab es auf. Es sollte heute nicht sein. Sie wollte jetzt versuchen zu schlafen. Aber irgendetwas musste sich in ihrem Leben ändern. So wie bisher konnte es nicht weitergehen. Sie hatte das Gefühl, dass sie ihrem Leben eine neue Richtung geben müsste. Bei M&M hatte sie keine Entwicklungschancen. Ihre Liebe zu Sven war vergeblich und quälte sie nur noch, und jetzt konnte sie noch nicht einmal mehr ungestört in ihrerFantasie sein. Vorhin, als sie in ihr Auto gestiegen war, da wäre sie am liebsten immer weiter gefahren. Weit weg. So weit wie nur möglich. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Vielleicht war das ja die Lösung.
Seit Sven Nina mit dem Anderen in der Stadt gesehen hatte, war er aus seiner Betäubung aufgewacht. Seine Illusion hatte sich nicht mehr länger aufrechterhalten lassen. Mit voller Wucht war er auf dem Boden der Tatsachen gelandet.
Beinahe musste er über sich selbst lachen. Er hatte tatsächlich geglaubt, sie liebte ihn. Dafür hatte sie sich schnell getröstet, wie es schien. Wie hatte er nur so dumm sein können, zu glauben, dass es diesmal anders sei? Frauen waren eben flatterhaft. Aber noch einmal ließe er sich nicht so gehen. Diesmal hatte er seine Lektion gelernt. Endgültig. Es gab keine Ausnahmen. Nie wieder würde er seinen Gefühlen gestatten, die Oberhand zu gewinnen. Nie mehr!
Seiner Bitterkeit zum Trotz kehrten seine Gedanken zu Nina zurück. Die kurze Zeit, die er mit ihr verbracht hatte, erschien ihm wie ein Rausch. Allein ihre Anwesenheit war ein natürliches Glückshormon für ihn gewesen. Reines Dopamin. Und wenn sie ihn angesehen hatte, wäre er am liebsten in ihren Augen versunken, in diesen smaragdgrünen Seen, weil sie ihm mehr gesagt hatten als alle Worte dieser Welt. Er schüttelte den Kopf. Wie hatte er sich nur so täuschen können?
Er dachte an Margot, an ihren Vorschlag. Vielleicht sollte er ihn annehmen. Margot war wenigstens ehrlich zu ihm. Sie erwartete nicht, dass er sie liebte oder ihr Gefühle entgegenbrachte, die über reine Freundlichkeit hinausgingen. Sie würden eine Abmachung treffen und dann wäre er ihr persönlicher und bezahlter Liebhaber. Welchen Unterschied machte es schon, ob er eine Auftraggeberin hatte oder zahllose? Er könnte ein angenehmes Leben führen, mit ihr die Welt bereisen und genügend Geld auf die Seite schaffen, um später in Ruhe davon leben zu können. Vielleicht, wenn er sich Mühe gab, setzte sie ihn sogar als Erben ein?
Der Gedanke war verlockend. Er sah sich in seiner Wohnung um. Was hielt ihn hier noch? Jetzt, nachdem er Nina verloren hatte? Vielleicht war es das Beste, er kehrte dieser Stadt und seinen Erinnerungen für immer den Rücken. Ganz so von heute auf morgen ging das natürlich nicht. Er hatte mit E.L.L.E. einen Vertrag geschlossen, der besagte, dass er seine Kundinnen erst an einen oder mehrere Nachfolger übergeben musste, bevor er von seinen Verpflichtungen der Agentur gegenüber entbunden werden konnte. Einmal E.L.L.E. immer E.L.L.E., so lautete das Motto der Agentur. Vermutlich würde er sechs bis acht Wochen brauchen, um alles zu organisieren. Aber das war ein absehbarer Zeitraum. Er konnte Margot sagen, dass er ihr Angebot ab Oktober annehmen könnte.
Eine Menge Arbeit wartete
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