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gehört, dass es klug wäre, eine Beziehung zu den Entführern aufzubauen. Wenn sie einen mochten, bekamen sie eher Gewissensbisse – und je mehr man über die Täter wusste, desto leichter war es nachher für die Polizei, sie aufzuspüren. Er sah sie fragend an. »Ich weiß nicht einmal, wie du heißt.«
»Nel«, sagte sie, während sie die Bettpfanne hochhob und auf den Flur brachte. Sie kam sofort zurück, um auch noch das Tablett zu holen.
»Hast du schon etwas von meinen Eltern gehört, Nel?«, fragte Jerro eilig.
»Es tut mir leid, dazu sage ich nichts.«
»Ich bin sicher, dass sie sofort bezahlen werden. Dann kann ich noch heute Abend nach Hause.«
»Damit würde ich nicht rechnen, Junge.«
»Aber du kannst mich doch nicht die ganze Nacht so …« Jerro schlug gegen die Kette, mit der seine Knöchel aneinandergefesselt waren.
»Schlaf ein bisschen«, sagte sie. »Dann geht die Zeit am schnellsten rum.«
»Aber Nel …«
Das Licht erlosch und die Tür schlug zu. Im Zimmer war es Nacht. Jerro hatte nie Angst gehabt im Dunkeln, auch als Kind nicht, aber jetzt fühlte sich die Dunkelheit an wie ein Monster, das ihn verschluckte. Er weinte lautlos.
3.
Nel zog die Vorhänge auf. Das Sonnenlicht vertrieb alle Monster und Dämonen. Jerro bekam wieder Luft.
»Machst du mich jetzt los?«, fragte er. »Bitte. Ich verspreche, dass ich das Fenster in Ruhe lasse.«
Sie zögerte sichtlich.
»Bei dem Gitter kann ich doch nicht fliehen.« Er sah sie flehend an. »Ach bitte, Nel. Bitte.«
»Ich bringe dir die Bettpfanne«, antwortete sie zu seiner Enttäuschung. »Und Frühstück.«
»Aber ich muss nicht nur pissen«, rief er verzweifelt.
»Dann bringe ich auch Toilettenpapier mit.«
Nel ging aus dem Zimmer, ließ aber die Tür offen. Jerro sah einen Treppenabsatz mit dunkelgrünem Bodenbelag. An der Decke hing eine weiße Kugellampe.
Schau dir die Umgebung gut an und präge dir möglichst viele Einzelheiten ein – auch das war ein Tipp aus dem Dokumentarfilm. Jerro seufzte. Wenn er nicht angekettet wäre, bräuchte er sich nichts einzuprägen. Dann könnte er einfach abhauen.
Nel kam mit der Pfanne und stellte sie auf sein Bett. »Ich nehme an, du möchtest das wieder allein machen?« Noch bevor er antworten konnte, zerrte sie eine Klopapierrolle aus der Tasche ihrer Strickjacke und drückte sie ihm in die Hand. »In einer Viertelstunde bin ich wieder da.«
Jerro hasste sie und gleichzeitig war er ihr dankbar. Jetzt, da er wusste, wie er vorgehen musste, war es um einiges leichter. Außerdem war er so geschickt, erst etwas Papier auf den Boden der Pfanne zu legen, damit es weniger spritzte – ein Einfall, auf den er ziemlich stolz war. Mehr als Pinkeln klappte leider nicht, egal, wie aufgebläht er sich fühlte. Er sehnte sich nach seinem Badezimmer, in dem er mit einem Comic auf seinem eigenen WC sitzen konnte.
Hier im Haus gab es bestimmt auch eine Toilette. Er musste Nel irgendwie überreden.
»Ich kann nicht«, sagte er, sobald sie nach einem Klopfen wieder ins Zimmer trat.
»Das ist schade.«
»Auf einem normalen Klo kann ich bestimmt.«
»Heute Abend kommen sie vorbei. Dann frage ich.«
»Sie?«, fragte Jerro angespannt.
»Sorry. Ich habe schon zu viel gesagt.« Sie stellte ihm das Frühstück auf den Schoß und nahm die Bettpfanne mit.
»Du hast gar nichts gesagt!«, rief Jerro.
Zu spät. Die Tür schloss sich wieder.
Er betrachtete sein Frühstück. Joghurt mit Müsli. Zwei Scheiben Toast und ein gekochtes Ei. Ein Glas mit frisch gepresstem Orangensaft, eine Tasse Tee und ein Croissant. Ein Frühstück, wie man es im Hotel bekam, wenn man den Roomservice bestellte. Fühlte Nel sich vielleicht schuldig und glaubte, es so wiedergutmachen zu können? Auf jeden Fall war sie keine abgebrühte Entführerin. So eine würde sich nicht dauernd entschuldigen.
Nach dem Frühstück brachte sie eine Schüssel mit Wasser und Seife, einen Waschlappen und ein Handtuch, damit er sich ein wenig frisch machen konnte.
»Hast du auch eine Zahnbürste?«
»Ein Junge, der freiwillig Zähne putzt?« Sie sah ihn an, als gehörte er zu einer ausgestorbenen Tierart. Dann schob sie den Stuhl neben das Bett und stellte die Waschschüssel darauf. »Morgen gehe ich einkaufen, dann bringe ich dir eine mit.«
»Und ein paar Comics?«, bettelte Jerro. »Ich langweile mich hier zu Tode.«
»Ich werde sehen, was sich tun lässt.«
»Es wäre auch schön, wenn du diese Mistdinger losmachen würdest.« Jerro nickte
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