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zu seinen Fesseln. »Dann könnte ich mich wenigstens ordentlich waschen.«
»Du weißt doch …« Sie seufzte, legte die Toilettenartikel auf seinen Schoß und verließ das Zimmer ohne ein weiteres Wort.
Miststück!
Er wusch sich, so gut es ging, und streckte sich dann wieder auf dem Bett aus.
Der Dokumentarfilm lag falsch. Am allerschlimmsten sei die ständige Angst gewesen, hatte der Entführte behauptet, aber Jerro fand die Langeweile viel grässlicher. Die Zeit dehnte sich wie Kaugummi und die Männer ließen sich immer noch nicht blicken. Er war froh, als Nel endlich das Mittagessen brachte.
»Fütterung«, scherzte er. »Der Höhepunkt des Tages.«
Meistens beschäftigte sie sich mit irgendwas, während er mit ihr sprach, aber jetzt starrte sie ihn an. Sie guckte wie ein Mensch, der zum allerersten Mal das Meer sieht – ein wenig erstaunt, aber auch beeindruckt.
»Was ist?«, fragte Jerro.
»Nichts.« Sie wandte den Kopf ab, ging zum Fenster und sah hinaus.
»Vielleicht weiß ich noch etwas, um dich zu beschäftigen«, sagte sie nach einer Weile.
»Was denn?«
»Jetzt iss erst einmal.«
»Und du?«
»Ich habe schon gegessen.«
»Allein?«, fragte Jerro. »Oder wohnt noch jemand in diesem Haus?«
»Du sollst nicht so viel fragen«, sagte sie und ging.
Er aß möglichst langsam, damit er etwas zu tun hatte, und streckte sich dann mit geschlossenen Augen auf dem Bett aus. So hatte er gestern – war das wirklich erst gestern gewesen? – auf seinem eigenen Bett gelegen, aber auf dem Bauch. Wie er hierher gekommen war, konnte er sich immer noch nicht erklären.
»Mit einem Transporter«, hörte er Mick schon sagen. »Beam mich hoch, Scotty.«
Wenn dies ein normaler Sonntagnachmittag wäre, würden wir uns jetzt witzige Filme auf YouTube ansehen oder Karten spielen mit Louise und Sofie …
Er quälte sich nur selbst.
Jerro rollte sich auf die Seite und wollte die Beine etwas anwinkeln. Die Kette spannte sich. Er rutschte wieder nach unten, bis seine Zehen das Fußende des Bettes berührten, dann konnte er einigermaßen entspannt liegen. Er stellte sich vor, auf einer Luftmatratze auf dem Meer zu dümpeln, und dämmerte weg.
Als er viel zu früh wieder wach wurde, versuchte er, sich mit albernen Spielchen zu vergnügen. Er suchte zu jedem Buchstaben des Alphabets eine Comicfigur – A wie Asterix, B wie Biggles, C wie Cristal … – und wiederholte das mit Filmen, Ländern und Popstars.
Er dachte sich Fluchtmöglichkeiten aus: Nel überwältigen, fesseln und das Haus verlassen. Sie so weit bekommen, dass er zur Toilette durfte, und dann durch das Klofenster abhauen. Mick, der kam, um ihn zu befreien … Aber in jedem Fall musste er zuerst diese dämlichen Fußfesseln loswerden.
Er überlegte sich eine Variante zu »Ich verreise«, was er früher manchmal mit Alfred im Auto gespielt hatte, wenn der ihn zur Schule gebracht hatte. Jerro wird entführt und er nimmt mit: einen Bolzenschneider, einen Revolver, ein Radio, Sprengstoff, ein Nachtsichtgerät, ein Riesencomicheft …
Dann drehte er einen Film im Kopf. Über seine Eltern, die auf einen Anruf der Entführer warteten. Darüber, wie das Lösegeld in eine Tasche gestopft wurde und wie sein Vater sie unter Einsatz seines Lebens in einem Container ablegte.
Er schlief wieder ein und wurde erst wach, als Nel ihm ein Computerspiel brachte. Ein hüpfendes Männchen sollte Berge erklimmen, Raketen ausweichen, über Fallgruben springen, Drachen verscheuchen, Feinde niederschießen und so weiter. Es war schrecklich simpel und normalerweise hätte Jerro es mit dem Etikett »einschläfernd langweilig« versehen, aber die Umstände hatten alles verändert. Das hüpfende Männchen wurde zur Sensation des Sonntags.
Am Montag war er immer noch ans Bett gefesselt. Es fühlte sich an, als hätte er statt Blut dickes Öl in den Adern. Er massierte seine Waden, ließ die Füße kreisen und wackelte mit den Zehen.
Nel brachte das Frühstück.
»Sie sollten doch kommen?«, schnauzte Jerro.
Dummer Schachzug, sagte sein Verstand. Die beste Taktik ist, sich den Entführern freundlich und kooperativ zu nähern.
Schade. Er schaffte es nicht.
»Das hatten sie gesagt, ja. Ich finde es auch unangenehm, dass sie nicht da waren.« Sie stellte das Tablett ab.
»Du musst mich losmachen.« Jerro schlug auf die Fesseln. »Weißt du eigentlich, wie gefährlich das ist? Wenn man zu lange in derselben Haltung sitzt, können Blutgerinnsel aus den Beinen in die Lunge
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