Password - Zugriff für immer verweigert
oder ins Gehirn gelangen.«
»Du bist noch jung«, sagte Nel beschwichtigend. »Das hältst du aus.«
»Ich kenne aber einen Computerfreak, der daran gestorben ist, und der war erst zwanzig.«
Nel zog die Jacke fester um sich, als wäre ihr kalt.
»Man empfiehlt nicht umsonst, sich bei langen Flugreisen möglichst viel zu bewegen«, sagte Jerro. »Gymnastikübungen im Flugzeuggang …«
Sie unterbrach ihn. »Ich bin noch nie geflogen. Das ist bestimmt fantastisch.«
Jerro fluchte innerlich. Er hätte bei dem verstorbenen Freak bleiben sollen.
»Bitte, mach mich los«, flehte er.
»Ich würde ja gern, aber es geht nicht.« Sie klopfte ihm auf die Schulter. »Ich muss einkaufen. Stell dir vor, du würdest entkommen.«
Sehr witzig!
Jerro warf sein Kissen gegen die Tür, als Nel das Zimmer verließ. Sofort tat es ihm leid. Jetzt lag er noch unbequemer. Er verbiss sich die aufsteigenden Tränen. Heute wird etwas geschehen, machte er sich Mut. Seine Eltern waren aus London zurück und würden einen Brief oder einen Anruf erhalten. Heute würde Lösegeld gezahlt und heute Abend wäre er frei.
Leider passierte vorläufig noch gar nichts. Aus purer Not ließ Jerro das hüpfende Computermännchen wieder tausend Heldentaten verrichten.
Nel war um halb zwei wieder zurück. Sie hob das Kissen auf und lehnte es ans Kopfende des Bettes. Außer einem schmackhaften Mittagessen hatte sie auch eine Zahnbürste und zwei Comics für Jerro dabei. Nach dem Essen putzte er sich die Zähne und verbrachte den restlichen Nachmittag lesend.
Es wurde Dienstag. Selbst das Frühstück munterte Jerro nicht auf. Sein Darm streikte immer noch, sein Bauch schien wie mit Beton ausgegossen, seine Knöchel taten weh und sein Hirn fühlte sich an wie aufgeweichter Kuchenteig.
»Erschieß mich doch einfach«, sagte er zu Nel. »Ich komme sowieso nie wieder frei.«
»Blödsinn.« Sie setzte sich zu ihm auf die Bettkante. »Du musst nur noch ein wenig Geduld haben.«
Jerro trat gegen das Fußende, was nicht sehr schlau war, wenn man nur Socken anhatte. Normalerweise war er nicht so zart besaitet, aber der Schmerz war der Tropfen und er das Fass, das überlief. Nel reichte ihm ein Papiertaschentuch und wartete, bis er zu Ende geheult und sich ausgiebig die Nase geschnäuzt hatte. Unterdessen streichelte sie die ganze Zeit über seine Schulter.
»Also gut«, sagte sie dann. »Ich lasse dich zur Toilette gehen. Aber denk daran, das muss unter uns bleiben!«
Jerro nickte eifrig.
»Und keine Tricks«, warnte sie. »Wenn du auch nur an Flucht zu denken wagst, bleibst du für immer an der Kette.«
»Ich schwöre.«
Sie fischte einen Schlüssel aus der Tasche ihrer Strickjacke und gab ihn Jerro. Er war so aufgeregt, dass er die Fesseln fast nicht aufbekam. Während er daran herumfummelte, zog Nel einen geheimnisvollen, knallrosa Gegenstand aus ihrer anderen Jackentasche. TASER C2 stand darauf. Jerro sagte das nichts. Er fand, es sah noch am ehesten aus wie eine Haarschneidemaschine.
Aber das war es nicht.
»Das ist ein Elektroschocker«, sagte Nel und sah ihn dabei nicht an. »Damit du dir keine Flausen in den Kopf setzt.«
Jerro wollte seine Turnschuhe anziehen.
»Das geht prima auf Socken.« Sie hielt den Taser wie einen Revolver im Anschlag. Ihre Hand zitterte leicht. »Es sei denn, du hast vor, nach draußen zu rennen, aber dann muss ich dir fünfzigtausend Volt durch den Körper jagen.«
Und was, wenn es doch eine Haarschneidemaschine ist?, dachte Jerro.
»Das kann tödlich sein«, sagte sie. »Und er wirkt auch noch auf viereinhalb Meter Abstand. Nur, dass du Bescheid weißt.«
Er hatte augenblicklich keine Lust mehr, es auszuprobieren. Es würde ihn wundern, wenn Nel bluffte, dazu schien sie ihm nicht der Typ. Es war sehr gut möglich, dass sie ihm im Notfall einen Stromstoß verpassen würde – wahrscheinlich mit geschlossenen Augen, während sie »Tut mir leid« murmelte, aber trotzdem …
»Ich will, dass du vor mir hergehst«, kommandierte sie. »Aber vergiss nicht, nah genug bei mir zu bleiben.«
Er ging auf Strümpfen zur Tür. Sie kamen auf den Treppenabsatz mit der weißen Kugellampe. Jerro wollte die Treppe hinuntergehen, aber Nel fasste ihn am Arm. »Andere Richtung. Das Badezimmer ist dahinten.«
Er wäre lieber nach unten gegangen, damit er das Haus besser erkunden und eventuelle Fluchtrouten festlegen konnte. Im Bad gab es nicht mal ein Fenster. Über der Dusche waren eklige schwarze Schimmelflecken. Es gab ein
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