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geschlagen. Es sei denn, Mick wäre auch entführt worden!
Jerro verspürte Hoffnung, aber auch Furcht. »Mick!«, rief er. »Mick, bist du auch hier?«
Es klopfte.
Seine Sinnesorgane waren sofort geschärft, als ihm bewusst wurde, dass das Geräusch nicht von der anderen Seite der Wand und demnach nicht von Mick kam. Jemand klopfte an der Tür. Die Männer waren nicht gerade höflich gewesen, also würde es wohl die Frau mit den grauen Haaren sein.
»Ja?«
Die Tür öffnete sich langsam. Sie drückte die Klinke mit dem Ellbogen hinunter, weil sie beide Hände für das Tablett brauchte.
»Dein Abendessen.« Sie stellte es Jerro auf den Schoß.
Würzig duftende Suppe, zwei Scheiben dunkles Brot mit Butter, ein Plastikbecher Joghurt mit Pfirsichstückchen und eine kleine Flasche Wasser.
»Ich will nach Hause«, sagte Jerro.
Sie reagierte nicht.
»Warum sitze ich hier?«
»Versuch, etwas zu essen, Junge.« Sie verließ das Zimmer und schloss die Tür.
Jerro seufzte und befolgte dann doch ihren Rat. Er staunte, wie gut es ihm schmeckte, trotz des vergitterten Zimmers, der Fußfesseln und der vollen Pfanne neben seinem Bett. Seinem Magen war die Situation offenbar egal. Vielleicht war es aber auch gerade ein Zeichen von Überlebenswillen und sein Gehirn und seine Muskeln wussten, dass sie nur mit ausreichend Brennstoff ordentlich funktionieren konnten.
Während er einen Bissen Brot nahm und ihn mit der pikanten Gemüsesuppe herunterspülte, wanderten seine Gedanken zu den drei Männern und der grauen Frau. Er hatte keine Ahnung, wer sie waren, und soweit er sich erinnern konnte, hatte er sie auch noch nie zuvor gesehen. Er ging alle Orte durch, an denen er sich normalerweise aufhielt: Schule, Einkaufszentrum, der kleine Platz hinter Micks Haus, das Kino und die Imbissbude dort in der Nähe, sein Lieblings-Comicladen. Nirgendwo klingelte es bei ihm.
Das Brot und die Suppe waren alle. Er zog den Aludeckel vom Joghurtbecher und löffelte ihn aus. Sie hatten dafür gesorgt, dass er das Bewusstsein verlor, und sie hatten ihn hierher gebracht, so viel war klar. Er war sicher nicht freiwillig in diesem Zimmer gelandet. Aber warum hatten ihn die Männer ausgezogen?
Jerro musste an einen Bericht vor ein paar Tagen in den Nachrichten denken: Kinderporno-Netzwerk aufgeflogen …
Der Joghurt schmeckte plötzlich nach Farbe.
Er schaute sich um. Soweit er erkennen konnte, hingen nirgends Kameras. Außerdem waren die Männer nach ihrer Aktion sofort gegangen. Sie hatten ihm sogar andere Kleidung hingelegt. Und warum sollten sie ausgerechnet ihn für ihre widerlichen Filme aussuchen – einen Jungen in einem schwer bewachten Haus? Es war tausend Mal leichter, jemanden von der Straße aufzusammeln.
Nein, wahrscheinlich war genau das passiert, was seine Mutter immer befürchtet hatte. Die Männer wussten, dass seine Eltern reich waren und dass sie ein Vermögen dafür übrig haben würden, ihren Sohn gesund und lebendig wiederzusehen. Also hatten sie ihn entführt …
Vielleicht diente seine Kleidung als Beweismittel: Sehen Sie, Herr und Frau Prins, wir haben Ihren Sohn. Wenn das stimmte, hatte er vermutlich eher Glück, dass er nur ausgezogen worden war. Genauso gut hätten sie einen abgehackten Finger oder einen Zeh schicken können!
Jerro stellte das Tablett auf den Boden und ließ sich hintenüberfallen. Er starrte zur Decke, ohne etwas wahrzunehmen.
Es war ihm ein Rätsel, wie die Entführer unbemerkt in sein Zimmer gelangen konnten. Es sei denn, Carl war auch in das Komplott verwickelt und hatte ihnen das Tor geöffnet – was Jerro sich allerdings kaum vorstellen konnte. Und dann blieb es immer noch schwierig, vom Garten ins Haus zu gelangen; Kasia schaute immer erst auf den Monitor neben der Tür, bevor sie öffnete. Okay, auch sie könnte mit den Entführern unter einer Decke stecken, aber das schien Jerro eine noch verrücktere Idee.
Wie viel würden seine Eltern zahlen müssen? Zehn Millionen? Zwanzig? Hatten sie schon einen Drohbrief erhalten? Oder einen Anruf? Sie waren natürlich in England und sollten erst Montagabend wieder zu Hause sein. Wenn sein Vater dann noch zur Bank musste, um Bargeld abzuheben …
Jerro stiegen die Tränen in die Augen. Wer weiß, vielleicht wurde es Dienstag oder Mittwoch und er saß immer noch hier!
Die Frau mit den grauen Haaren kam wieder herein. »Hat es geschmeckt?«
»Ja, danke …« Jerro hatte einmal in einem Dokumentarfilm über einen von der IRA gekidnapten Mann
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