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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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erklären.«
    »Und ein benzingetränkter Leichnam nicht?« Sie sah zum Pfad hinter sich. In drei, vier Schritten wäre sie um die nächste Kurve. Wie lang würde er brauchen, um den Abzug durchzudrücken?
    Dillon zuckte mit den Schultern. »Spielt eigentlich keine Rolle. Hier draußen wird sowieso keiner nach dir suchen.«
    Das ferne Wummern wurde lauter. Es schien von oben zu kommen. Harry blickte zum Himmel. Alles war in Nebel getaucht.
    »Unfälle sind Camerons Spezialität«, sagte Dillon und hob die Stimme, um sich im Lärm verständlich machen zu können. »Seitdem er unsere Mutter die Treppe hinuntergestoßen hat. Ich hab ihn auf der obersten Stufe gefunden, völlig unter Drogen. Ich musste ihm helfen, es so hinzudrehen, er brachte ja keinen klaren Gedanken mehr zusammen. Seitdem zahlt er mir den Gefallen zurück. Nicht wahr, Cameron?«
    Cameron drückte sich die bauchige Benzinflasche an die Brust und starrte auf den Boden. Plötzlich kam Wind auf. Die dichten Hecken bogen sich, Staub wirbelte Harry in die Augen, über allem lag ohrenbetäubender Lärm.
    Ein himmelblauer Helikopter durchbrach den Nebel. Ein Windstoß zerrte an Harrys Kleidung und drohte, sie wegzuwehen. Die Hecken wurden geschüttelt und sahen aus, als würden sie sich jeden Moment losreißen. Dillon bückte sich im wirbelnden Wind, hob schützend einen Arm, richtete sich wieder auf und zielte auf ihr Gesicht. Ruckartig näherte sich ihnen der Helikopter, ein Seil hing an einer Seite aus dem Cockpit, in dem Judes breitschultrige Gestalt auszumachen war.
    Harry wurde ganz leicht ums Herz. Jude riss sich die Kopfhörer von den Ohren und schrie ihr etwas zu, aber das Wummern des Rotors überdröhnte ihn. Er deutete mit dem Finger auf das Seil und brachte den Hubschrauber noch niedriger. Selbst von unten aus konnte sie erkennen, dass er die Augen weit aufgerissen hatte, dass sein Gesicht kreidebleich war.
    Harry sah zu Dillon. Der Lauf der Waffe war auf sie gerichtet, er schluckte mehrmals und spannte den Finger um den Abzug. Der Helikopter schwebte direkt über ihr, das baumelnde Seil war nur wenige Meter entfernt. Aber er würde sie umbringen, bevor sie auch nur einen Schritt machte.
    Plötzlich schwang Dillon herum und eröffnete das Feuer auf den Helikopter. Kugeln durchschlugen die Bodenplatte, metallisches Klirren war zu hören. Der Hubschrauber drehte nach links ab. Schuss auf Schuss gab Dillon ab. Der Hubschrauber schwankte, aus dem Heck quoll eine schwarze Rauchfahne, dann neigte er sich nach links und schmierte kurz oberhalb der Hecken über dem Labyrinth ab.
    Erneut zielte Dillon. Diesmal zögerte Harry nicht. Mit zwei Schritten war sie bei der Weggabelung und stürmte in die linke Abzweigung. Sie stolperte gegen die Hecke und torkelte um die Kurve. Schüsse knallten, dann hörte sie, wie das Triebwerk des Helikopters aussetzte. Er schwebte über ihr, krängte und ging über dem Labyrinth nieder. Die Rotorblätter frästen sich in die Hecken, zerhäckselten sie wie ein riesiger Mixer, schnitten sich tief in den Boden, zerbarsten und katapultierten Metallsplitter in die Luft. Mit einem zermalmenden Kreischen stellte sich die Maschine hochkant und verschwand hinter den Hecken.
    Mehrere Sekunden lang herrschte Stille. Keine Triebwerksgeräusche, keine schneidenden Rotorblätter. Harry stürmte durch den Pfad, alles in ihr schrie auf. Was zum Teufel hatte sie getan? Dann hörte sie einen Knall und das unverkennbare Zischen von Flammen. Großer Gott! Wenn Jude tot war, war alles ihre Schuld.
    Sie krachte gegen eine Heckenwand. Eine Abzweigung. Scheiße, wohin? Ihre Brust brannte, sie fühlte sich, als leide sie unter Fieber. Die Linke-Hand-Regel. Leg die Hand an die Wand und folge ihr. Aber dann würde sie doch immer im Kreis laufen? Hinter sich hörte sie Schritte. Sie streckte die linke Hand zur Hecke aus und raste in die linke Abzweigung. Sie rang nach Luft. Weiter!
    Sie folgte dem Pfad, der spiralförmig in scheinbare Sackgassen und wieder heraus führte. Immer im Kreis, ein Tunnel nach dem nächsten, bis ihr schwindlig wurde.
    Dann hörten die Kreise auf. Der Pfad wurde breiter und gerader. Das Laub dünner. Die Luft war frischer, wie in einem Wald, und der Himmel schien heller zu werden. Vor ihr tat sich eine von einer blauen Flagge markierte Öffnung auf. Breiter als die üblichen Pfade. Sie stürzte darauf zu, rannte weiter, bis sie, Atem holend, zum Halt kam.
    Sie befand sich auf einer runden Lichtung mit einem sorgsam gepflegten

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