Passwort: Henrietta
ihrer Hand und spürte, wie sie unwillkürlich die Schultern hängen ließ. Sie wollte das Geld nicht. Sie hatte es für ihren Vater aufgehoben, aber was nützte es ihm jetzt noch? Und es würde nie die Leere ausfüllen, die er hinterlassen würde.
Der Mann mit dem Stetson entfernte sich, und Harry trat vor die Frau im Käfig. Sie dachte an Judes Ethik-Vortrag; wie Insidergeschäfte das Vertrauen in die Fairness der Märkte erschütterte. Sie war zurück nach Nassau gekommen, um die Chips in Bares einzutauschen und das Geld den Behörden zu übergeben. Das war die korrekte Vorgehensweise. Das, was Jude getan hätte. Und niemand konnte ihrem Vater noch etwas anhaben.
Die Frau im Käfig klopfte mit ihrem Stift auf den Tisch. Harry biss sich auf die Lippen. Was kümmerte sie die Fairness der Märkte? Es war ja nicht so, dass die Investoren entschädigt werden würden, selbst wenn sie das Geld zurückgab. Wer wusste schon, in welche Kanäle das Geld floss.
Mit einem Seufzen wandte sie sich der Frau im Käfig zu. Diese hatte nun aufgehört, mit dem Stift auf den Tisch zu klopfen, und starrte über Harrys Schulter hinweg zum Spieltisch.
»All-in.«
Harry fuhr herum. Der Italiener schob seinen gesamten Jeton-Stapel in die Mitte des Tisches. Darunter befand sich ein hoher Stoß karmesinroter Jetons. Harry hielt die Luft an. Die Spieler deckten ihre Karten auf, die Zuschauer stöhnten. Der Italiener rückte seinen Stuhl zurück, nahm die Sonnenbrille ab und ging hinter seinem Stuhl auf und ab. Der Mann im Anzug nahm einen Schluck von seiner Wasserflasche.
Harry reckte den Kopf, um die Karten zu sehen. Sie hatte sich mit dem Full House getäuscht. Der Mann im Anzug hatte ein Paar Asse, wodurch er einen Vierling erhielt. Eine nahezu unschlagbare Hand. Der Italiener hatte eine Kreuz-Zwei und eine Kreuz-Vier. Harry überschlug die Kombinationen. Nachdem Kreuz-Ass und Kreuz-Drei auf dem Tisch lagen, fehlte ihm nur eine Karte zu einem Straight Flush; die einzige Hand, mit der er das Spiel gewinnen konnte.
Harrys Nacken kribbelte. Sie trat einen Schritt auf den Tisch zu. Der Italiener hielt mit weißen Knöcheln die Lehne seines Stuhls umfasst. Der Croupier drehte die River-Karte um. Einen Augenblick lang herrschte Stille. Harry stellte sich auf die Zehenspitzen, konnte aber die Karte nicht sehen. Dann ging ein Aufschrei durch die Menge. Der Italiener reckte die Faust in die Luft und brüllte wie ein Cowboy. Er drehte sich um, umarmte die Zuschauer und gab seinem Gegenspieler die Hand. Durch eine Lücke in der Menge erkannte Harry auf dem Tisch die Kreuz-Fünf und lächelte.
Sie strich sich über ihren kribbelnden Nacken.
Das Leben macht nicht viel Spaß, wenn man nicht hin und wieder alles aufs Spiel setzt.
Die Worte ihres Vaters schwirrten ihr durch den Kopf. Ihr ging das Herz auf. Langsam drehte sie sich zum Käfig um, steckte die Jetons zurück in den Koffer und schloss sachte den Deckel
»Tut mir leid«, sagte sie zu der Frau hinter dem Gitter. »Ich hab’s mir anders überlegt.«
Sie trat an den Tisch und nahm auf dem leeren Stuhl Platz, an dem der Mann im Anzug gesessen hatte. Sie lächelte dem Italiener zu und fuhr mit den Knöcheln über den Filzbezug, um sich Glück zu wünschen. Dann öffnete sie den Pokerkoffer ihres Vaters und stellte ihn auf den Tisch.
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Dank
M ein von Herzen kommender Dank gilt als Erstes meiner Agentin Laura Longrigg, die an diesen Roman glaubte, und an das Team von MBA Literary Agents Ltd. Des Weiteren danke ich Julia Wisdom und meiner Lektorin Anne O’Brien von HarperCollins für ihren Enthusiasmus und ihren Rat sowie dem gesamten Team von HarperCollins. Außerdem danke ich Helen Corner von Cornerstones Literary Consultancy für ihre Unterstützung bei meinen ersten Schritten als Schriftstellerin. Und schließlich danke ich mit all meiner Liebe meinem Mann Tom, der meine Bemühungen immer ernst genommen hat, sowie meinen Kindern Mark und Megan, die meine gelegentlichen Abwesenheiten toleriert haben.
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Über Ava McCarthy
Ava McCarthy studierte Medizin und arbeitete an der Londoner Börse, bevor sie sich als Computer-Expertin in Dublin einen Namen machte.
Passwort: Henrietta
ist ihr hochgelobter Serienauftakt um die Hackerin Henrietta Martinez.
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Über dieses Buch
Als auf Harrys Konto plötzlich zwölf Millionen Euro auftauchen, ein Unbekannter ihr während der Rush-Hour in Dublin etwas ins Ohr flüstert und sie Sekunden später auf die Gleise der
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