Passwort: Henrietta
richtete er den Lauf auf ihr Gesicht. Harry hob den Kopf. Noch nicht! Ihr Herz raste. Frag ihn was anderes! Irgendwas.
»Was ist mit Leon?« Ihr Mund war trocken. »Bekommt er jetzt einen Anteil vom Geld?«
»Leon wird überhaupt nichts mehr bekommen. Er hat einen Fehler begangen, als er seinen Schläger auf mich angesetzt hat. Er ist mir zu dicht auf die Pelle gerückt.« Er sah zu seinem Bruder. »Cameron hat sich um ihn gekümmert.«
»Du hast ihn umgebracht?«
»Er war nur ein Schwein, der alles ausbaden sollte, falls was schiefging. Ich hab dafür gesorgt, dass überall seine dreckigen Fingerabdrücke auftauchen.«
Harry dachte an Leons Adresse, die in den Bankunterlagen zu ihrem Konto erschienen waren; den Kontoauszug, der ihm zugeschickt worden war; den Privatdetektiv, den er angeheuert hatte, um ihr zu folgen. Dillon hatte recht. Er hatte überall seine Spuren hinterlassen.
»Dann hast du dich also in mein Konto eingehackt?«, sagte sie.
Er lächelte. »Ich hatte großen Spaß dabei. Vor allem, als du sagtest, du würdest mir das Geld geben, und ich es dann verschwinden ließ.«
Und plötzlich verstand sie die Zusammenhänge; plötzlich passte alles zusammen. Der Pen-Test bei der Sheridan Bank. Es war alles geplant. Dillon wusste, dass sie dort ihr Konto hatte; schließlich zahlte er ja ihr Gehalt. Und er wusste von dem RAT , den sie immer zurückließ, die bewusst eingerichtete Hintertür, um die Clean-up-Tools der Bank zu testen. Und Dillon hatte den RAT aus Imogens Bericht herausgehalten. Er hatte nicht gewollt, dass er gesäubert wurde.
Er trat einen Schritt auf sie zu und richtete den Lauf der Waffe auf die Stelle zwischen ihren Augen. Seine Hand zitterte leicht. Aus der Nähe wirkte sein Gesicht grau, von Falten überzogen, die ihr bislang nicht aufgefallen waren. Sie musste an den missionarischen einundzwanzigjährigen Jungen denken, der ihr von der Suche nach der Wahrheit erzählt hatte.
»Was ist geschehen, Dillon?«, flüsterte sie. »Hat das viele Dotcom-Geld dir nicht mehr gereicht?«
Sein Mund verhärtete sich. »Scheiß Dotcom. Alle im Land sind über Nacht zu Millionären geworden, alle außer mir. Ich habe nie die Chance dazu bekommen.« Sein Blick schweifte in die Ferne. »Früher, da war ich immer der Beste. Immer an erster Stelle. Ich hatte mehr Talent als die anderen. Die große Karriere, der tolle Computertyp mit dem besten Gehalt. Und plötzlich sollte ich der große Loser sein? Das verstehst du doch, oder, Harry?«
Sie biss sich auf die Lippen. »Die Dotcom-Story diente also nur zur Tarnung?«
Er nickte. »Genau wie Lúbra Security. Oh, es war anfangs durchaus als ernsthaftes Unternehmen gedacht. Aber wie zum Teufel soll man denn noch Gewinn machen, nachdem es mit den Dotcoms so den Bach runtergegangen ist? Letztes Jahr bin ich kurz vor der Pleite gestanden.« Er schnaubte. »Also habe ich wieder an den Sorohan-Deal gedacht und an das viele Geld, um das Sal mich betrogen hat. Das Geld gehört mir, und ich wollte es wiederhaben.«
Er sah ihr in die Augen und lächelte sein Halblächeln. Einen kurzen Moment lang wurde sein Blick weicher. Dann umfasste er ihr Kinn und hob ihren Kopf an. Ihr graute bei seiner Berührung, und sie musste an die Nacht denken, in der er ihren Körper mit seinem Mund gekostet hatte. Übelkeit rührte sich in ihrem Magen.
»Es ist für uns beide noch nicht zu spät, Harry«, flüsterte er. Leidenschaft lag in seinem Blick, er musterte ihr Gesicht und suchte etwas darin. »Oder?«
Harry schluckte. Lächle. Tu so als ob. Konnte doch nicht so schwer sein. Sie öffnete den Mund, wollte etwas erwidern und ließ kurz den Blickkontakt abreißen. Ein Fehler. Dillon schob ihr Kinn zur Seite und sah weg.
»Lüg mich nicht an, Harry, niemals.« Dann trat er zu Cameron, hielt mit beiden Händen die Waffe und richtete sie auf ihr Gesicht. »Stell sie auf die Beine.«
»Du hast gesagt, ich könnte mich mit ihr ein bisschen vergnügen?«, sagte Cameron.
»Du wirst dich mit ihr vergnügen dürfen. Nimm ihr die Handschellen ab.«
Cameron zog sie an den Armen hoch. Das Blut schoss ihr in die Ohren, sie schwankte. Irgendetwas wummerte in der Ferne. Cameron nahm ihr die Handschellen ab. Ihre steifen, tauben Arme fielen nach unten.
»Danke«, sagte sie, rieb sich die Handgelenke und hasste ihren unterwürfigen Tonfall.
»Ich mach es nicht für dich.« Dillon sah sie kalt an, das Lächeln war verschwunden. »Handschellen an einem Unfallort sind schwer zu
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