Passwort in dein Leben
zumindest war davon überzeugt, dass man sich auf einem solchen Segeltörn total verändert …
Ich merke, dass ich stehen geblieben bin.
Da sieht sie auf und ihr Lächeln ist immer noch ihr Lächeln.
»Hi«, sage ich.
»Ja und nein.« Sie grinst.
Ich verstehe gar nichts.
»Ja, es war supertoll, und nein, so schnell ist unsere Freundschaft nicht einfach vorbei …«
Ohne uns abzusprechen, gehen wir einfach so los, zu einem unserer Lieblingsplätze, einer Bank direkt am See. Mir ist kalt, ich schlinge die Arme um mich.
»Ich hab dich auch vermisst«, sagt Clara und kickt ein paar Steinchen in den See.
Ich grinse. »Ach, bei den Abenteuern, die du erlebt hast!«
»Trotzdem«, sagt sie. »Keine dort war so herrlich verrückt wie du. Wobei, vielleicht hat die gute Juliadich ja nun so beeinflusst, dass du total anders geworden bist.«
Ich schlucke.
»Tschuldige«, sagt sie und sieht schnell weg, »ich wollte nicht … Aber das war echt …« Sie schüttelt den Kopf.
»Tut mir wirklich leid«, sage ich, »ich war so sauer, dass du einfach ohne mich gefahren bist. Und Julia ist gar nicht so schlimm. Sie ist, nun ja, ganz okay …« Ich sehe, wie sie sich auf die Lippe beißt. Das tut sie immer, wenn sie sich unwohl fühlt.
»Natürlich nicht wie du«, sage ich schnell.
Sie nickt. »Schon okay. Verstehe ich irgendwie.« Ganz kurz sieht sie mich an, dann wieder auf den See hinaus. Eine Gruppe Enten schwimmt vorbei. »Ich musste einfach weg.«
»Wegen deinem Bruder?«
Sie nickt. »Auch. Dieses ständige Getue um ihn. Klar, es war schlimm für ihn, als Opa gestorben ist und dass Oma dann so seltsam wurde. Aber meine Güte …« Clara wedelt mit dem Arm. »Ich wollte einfach ein wenig mehr Perspektive bekommen, neue Erfahrungen machen. Dieses Aufeinandersitzen hier in dem Kaff …«
Wieder spüre ich die Eifersucht, einen kleinen Stich.
»Mensch«, sagt sie. »Ich hab mich so mies gefühlt, weil ich mitkonnte und du nicht. Weil das nur ging,weil meine Eltern reich sind. Und dabei ist Geld mir doch eigentlich so was von schnurz! Dann habe ich mit einer auf dem Boot darüber geredet. Sie meinte, so könnte die Kohle unserer Eltern auch mal für was Sinnvolles genutzt werden. Und irgendwie hat sie recht, sonst hätten die nur noch ein neues Auto davon gekauft oder wären auf noch mehr alberne Wellnesswochenenden gefahren.«
»Klingt irgendwie logisch«, sage ich.
»Ich habe gehört, … also laut Facebook hattest du inzwischen zwei Freunde?« Sie sieht mich mit großen Augen an, so, als wäre ich die Fremde.
Ich atme tief durch und fange an zu erzählen. Als ich ihr erzähle, wie ich Mario erfunden habe, fängt sie an zu lachen. Erst ärgere ich mich darüber, aber dann merke ich plötzlich, wie sehr ich ihr Lachen vermisst habe. Ich finde die Geschichte auf einmal selbst ziemlich komisch. Komisch-absurd.
»Tja«, sage ich, »und dann ist er lebendig geworden …«
»Was? Kannst du zaubern?« Sie denkt, ich mache einen Witz und kichert.
»Nein«, sage ich, »jemand hat meinen Account geknackt und postet nun als Mario.« Sie findet das total interessant und ich erzähle ihr von meinem Verdacht, dass Romi dahinterstecken könnte.
»Ja, der Zicke ist alles zuzutrauen«, meint Clara.
»Ich müsste es nur irgendwie beweisen. Oder siedazu bringen, dass sie es lässt. Ich meine, wenn sie allen erzählt, dass es Mario nicht gibt?«
»Komm ihr zuvor. Sag's selbst allen.«
»Nein. Bestimmt nicht.«
Sie zuckt die Achseln. »Und warum nicht?«
Und da merke ich, dass es nicht mehr wie früher ist. Es ist einfach zu viel passiert. Wir haben uns beide verändert. Ihr Lachen ist zwar dasselbe geblieben, ihre Art, sich über die Nase zu reiben, und all diese vertrauten Kleinigkeiten. Aber trotzdem ist da auch so viel Fremdes, mehrere Monate Leben, viel zu viele Dinge, die wir nicht geteilt haben. Und dann unser Streit, der zu einem großen Graben zwischen uns geführt hat, der jederzeit wieder aufbrechen kann. So wie ein Flicken auf einem kaputten Fahrradreifen, der noch nicht getrocknet ist.
Clara weiß es vermutlich auch, weil sie nicht nachhakt.
»Dann lassen wir uns was Witziges einfallen«, sagt sie stattdessen.
Früher haben ihre Augen bei einer solchen Ansage immer zu leuchten begonnen. Jetzt ist das nicht mehr so, sieht eher aus wie ein Blinzeln.
»Danke«, sage ich und klinge viel zu ernst.
Sie lächelt mich an, berührt mich kurz am Arm und springt dann auf. »Los, lass uns nachsehen, ob wieder ein paar
Weitere Kostenlose Bücher