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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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reiche Rentner zugezogen sind!«
    Laub raschelt unter unseren Füßen. Es riecht nach Herbst. Der Himmel ist grau, alles ist irgendwie grau – sogar der See. Aus irgendeinem Grund fühle ich mich plötzlich traurig.
    »Komm«, ruft Clara und fängt an, auf der Mauer, die den Weg vom See trennt, zu balancieren. Ich hüpfe zu ihr hinauf und bald darauf sind wir in einen wilden Wettbewerb darüber, wer sich die höchsten Sprünge auf der Mauer zu machen traut, verstrickt. Wind wirbelt mein Haar durcheinander. Ich fühle mich wie damals als Kind, als ich dachte, dass ich einmal fliegen lerne, wenn ich nur genug trainiere.
    Eine alte Dame, in eine viel zu große Strickjacke gewickelt, kommt vorbei und lächelt uns an. Zwei jüngere Frauen mit Kinderwagen schütteln die Köpfe. Ich hoffe, die Kinder finden einmal eine Freundin wie Clara, wenn ihre Mamas schon keine Lust haben, Quatsch mit ihnen zu machen.
    »Uff«, macht Clara schließlich und springt herunter. »Jetzt hätte ich Lust auf einen riesigen Milchkaffee.«
    »Gute Idee«, sage ich und hüpfe neben ihr herunter. Dabei berührt meine Hand ihr Haar. Es fühlt sich ziemlich borstig an.
    »Hat ewig gedauert, die Dinger reinzubekommen. Aber allein die Blicke meiner Eltern waren es wert. Und weißt du, was Ralf gesagt hat?«
    Ich habe keine Ahnung. Aber sie erwartet auch nicht wirklich eine Antwort.
    »So findest du nie einen Mann. Langes, glänzendes Haar ist ein Schlüsselreiz.« Sie lacht. Aber ganz echt klingt das nicht. »Als wollte ich einen Mann! Und dann noch einen, der auf Schlüsselreize fixiert ist, wie ein Tier.«
    »Oder wie Erwin«, sage ich.
    Sie reißt den Mund auf, starrt auf meine Brüste, genau wie Erwin im Sommer.
    »Uh«, mache ich und schlinge automatisch die Arme um mich selbst, »das ist ja gruselig.«
    Clara grinst, sieht wieder aus wie sie selbst. Dann nimmt sie eine meiner Haarsträhnen. »Oh … glänzender Schlüsselreiz«, trällert sie.
    »Pass auf, sonst werfe ich dich in den See!« Ich schubse sie ein wenig.
    »Genau das hab ich vermisst.«
    Ich komme nicht mehr dazu, zu antworten, weil ich ihn sehe. Den Straßenkünstler. Er steht an der gleichen Stelle wie gestern.
    Aber diesmal hat er eine Fackel in der Hand, an der er noch eine anzündet. Kurz darauf fängt er an, die Fackeln kreisen zu lassen, immer schneller und schneller. Bald ist er von Feuerschlangen umgeben.
    »Das finde ich sexy«, sagt Clara.
    Und irgendwie passt mir das nicht. Ich will das nicht von ihr hören. Ein Gefühl, als würde sie mir was wegnehmen. Dabei kenne ich den Typen gar nicht richtig.
    »Komm«, Ich fasse sie unter. »Milchkaffee …«
    »Okay, nichts übertrifft Milchkaffee – außer Schokolade vielleicht«, meint sie und lässt sich von mir fortziehen.
    Als wir im Café sitzen, denke ich fast nicht an Mario. Es ist, als wäre die Zeit wirklich zurückgedreht. Clara und ich lachen zusammen, sie erzählt mir von der Zeit auf dem Schiff, macht die einzelnen Leute nach.
    »Du solltest wirklich Schauspielerin werden«, sage ich.
    Sie seufzt. »Zu viele Talente, zu viele Möglichkeiten!«
    »Angeberin!«
    Clara lacht nur darüber. Das mag ich so an unserer Freundschaft, dass wir fast alles zueinander sagen können, ohne dass eine sauer wird.
    »Und was machen wir jetzt mit deinem lebendig gewordenen Fantasiefreund?«, fragt sie und alles holt mich wieder ein.
    Ich zucke die Achseln.
    Sie zieht ihr iPhone aus der Tasche und loggt sich ins Internet ein. Ich gebe ihr mein Facebook-Passwort und sie staunt. »Krass romantisch, was der schreibt. Bist du sicher, dass du das nicht geschrieben hast?« Ich schlucke.
    »Hey«, sagt sie. »Ich meine nur, dass dich da jemand anscheinend gut kennt.«
    »Ja, das irritiert mich auch«, erkläre ich.
    Sie nickt und macht ihre Denkerstirn.
    Aber uns fällt erst mal lange nichts Vernünftiges ein.
    »Ich hab's«, meint Clara schließlich und ihre Augen glitzern wie immer, wenn sie nur Quatsch im Kopf hat. »Gib mir einen Moment.«
    Sie beginnt wie wild auf ihrem iPhone rumzutippen.
    »Hey«, sage ich und versuche ihr das Ding zu entreißen, »du kannst doch nicht einfach …«
    »Ich schick's nicht ab. Lass mich, ich muss denken!« Ich seufze. Weil ich weiß, dass ich tun kann, was ich will. Wenn sie in dieser Stimmung ist, hab ich keine Chance.
    Nach einer Weile hält sie mir das Telefon hin.
    »(…)
Ich bin so wach
dass ich dich schnarchen höre
und im Schlaf reden
und dass ich dich spüre
und nach jedem Pups
meine Nase

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