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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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was wollen wir machen, Sofie?«
    »Ich muss lernen«, sage ich schnell.
    Er sieht ernsthaft traurig aus, ein wenig wie ein Hund, den jemand vor einem Supermarkt angebunden hat, der dann ewig zum Einkaufen braucht. Fehlt nur noch, dass er zu winseln anfängt.
    Deshalb sage ich »Sorry«, sehe ihn aber dabei lieber nicht an. Sonst kommt er noch auf falsche Gedanken.
    Als sie endlich weg sind, lüfte ich noch einmal. Ich habe das Gefühl, dass alles in meinem Zimmer hängt. Vielleicht ist doch was dran an dem komischen Geschwätz meiner Esotante. Sie ist die jüngere Schwester meiner Mutter und schwärmt für solche Sachen wie Feng Shui und Ausräuchern.
    Unter unsere Petition hat Romi gepostet:
    Und sich jetzt auch noch feige hinter anderen
    verstecken. Das passt!
    Drei Leute haben das bereits »geliked«.
    Ich schalte meine Handy ein, ignoriere die fünf neuen SMS und versuche, Clara anzurufen. Ihre Mailbox fordert mich auf, eine Nachricht zu hinterlassen. Ich bin stolz auf mich selbst, weil ich es schaffe, das Ding wieder auszuschalten, ohne die SMS zu lesen.
    Dann lege ich mich auf mein Bett, starre die Decke an. Leere in mir. Warum behaupten die in den Meditationsanleitungen immer, das sei ein erstrebenswerter Zustand?
    Nach dem Mittagessen halte ich es nicht mehr aus. Ich checke meinen Facebook-Account und sehe, dass das ändern des Passwortes nichts genutzt hat. Dort prangt ein Foto von Romi und Sina, auf dem sie so aussehen, als würden sie sich leidenschaftlich küssen. Ist uns da etwas entgangen?, steht darunter. Alles angeblich von mir gepostet.
    Ich lösche, so schnell ich kann. Trotzdem erscheint fast zeitgleich ein Kommentar von Romi. Eifersüchtig?
    Ich werfe sie von meiner Friends-Liste. Sie war sowieso nie eine Freundin.
    Kurz darauf ist das Foto wieder auf meinem Account.
    Scheiße.
    Löschen. Passwort ändern.
    Ich wähle etwas total Verrücktes. Dlotfoiuz87&%.
    Es nützt mir gar nichts.
    Das Nächste ist ein Film von Constantin auf derSchultoilette. Diesmal beim Verrichten des großen Geschäfts. Ich muss den anderen recht geben, wer so was filmt, ist wirklich krank. Igitt.
    Löschen.
    So geht es einige Zeit weiter. Dauernd erscheint der gleiche Kram wieder, quasi vor meinen Augen, auf der Pinnwand. Ich lösche. Passwort ändern spare ich mir, da es sowieso nichts nützt.
    So viel war auf meinem Account noch nie los. Leute, die ich fast nicht mehr kenne, fragen nach, was eigentlich los ist. Ich schreibe: Hilfe! Ich werde gespamt!
    Ich glaube eher, dein Hirn ist ein einziges Spam , antwortet David. Ausgerechnet. Dabei ist das irgendwie Quatsch, wenn man genauer darüber nachdenkt.
    Löschen.
    Ich werde langsam Expertin im Löschen.
    Nachmittags schaut meine Mutter kurz rein, fragt, ob ich mit spazieren gehen will, weil die Sonne gerade rausgekommen ist. Als hätte ich das in den letzten fünf Jahren ein Mal getan!
    »Muss lernen«, behaupte ich.
    »Würde dir vielleicht guttun«, erklärt sie, »du siehst so blass aus. Zu viel lernen ist auch nicht gut!«
    »Bitte«, sage ich, verspreche aber, dass ich später noch rausgehe und mich mit Clara treffe.
    Es bleibt mir keine Zeit, darüber nachzudenken, was ich wirklich machen könnte. Der nächste Filmzeigt nämlich Julia im Drogeriemarkt. Sie klaut Blondierungscreme, lässt sie einfach schnell in ihre Jackentasche gleiten. Damit ist gleichzeitig bewiesen, dass sie gelogen hat. Sie behauptet nämlich, ihre Haare wären in der Pubertät ganz natürlich heller geworden.
    Jetzt ist genug geredet. Unsere Geduld ist zu Ende! , postet Christof.
    Und da bekomme ich wirklich Angst. Ich weiß zwar nicht, wie viel an dem Gerücht dran ist, aber Christof hat in der fünften Klasse angeblich mal einen Siebtklässler krankenhausreif geschlagen.
    Ich lösche meinen Account.
    Ich gehe raus. Laufe am See entlang. Kalter Wind kommt mir entgegen. Ich träume, ich wäre weit fort. Vielleicht irgendwo im Süden, wo der Wind vom Meer kommt und immer noch warm ist. Immer wieder habe ich das Gefühl, dass all die Gemeinheiten an meinem Auge vorbeiflimmern, wie in einem altmodischen Science-Fiction-Film. Eine Ente schreit laut. Mir begegnet fast niemand. Eine alte Frau, die aussieht wie eine eingemummelte Tonne, die von ihrem Dackel vorwärtsgezogen wird. Ein Mann mit Kopfhörern, der sich über die Augen wischt, als würde er weinen. Zwei Frauen mit verrammelten Kinderwagen. Einer davon brüllt.
    Plötzlich eine Gruppe Jugendlicher. Ich meine jemand aus meiner Schule zu

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