Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
Vom Netzwerk:
lächle, als ich mir ein Müsli zusammenmische. Und meine Eltern tun, als sei alles wie immer. Allerdings weiß ich nicht, wie realistisch wir wirklich wirken.
    Im Auto fühle ich mich wie unter einer Glasglocke. Meine Mutter plaudert über irgendeine neue Trendsportart und ich sehe aus dem Fenster. Es nieselt. An der Bushaltestelle ein Meer von Schirmen. Schwarz mit Farbtupfern, knallpink, gepunktet, sogar einer mit Froschaugen. Die Stadt wirkt grau und die Berge sind nicht zu sehen. Ich versuche, das Gefühl von vorhin zu halten. Es will nicht so recht klappen. Als Kind konnte ich tagelang Madita sein. Zum ersten Mal wünsche ich mir, ich wäre wieder sieben oder vielleicht neun.
    Wir fahren um die kleine Mauer herum, meine Mutter drückt auf den Knopf, das Fenster fährt runter. Kaltfeuchte Luft kommt mir entgegen. Sie hält die Karte vor den Scanner und die Schranke zum Lehrerparkplatz öffnet sich, schnellt in den Himmel. Sie parkt ein, viel zu dicht am Kleinbus des Physiklehrers. Ich muss Bauch und Po einziehen, um rauszukommen.
    Nässe auf meinen Haaren, auf meinem Gesicht, meinen Händen. Es riecht nach nassem Herbstlaub. Meine Mutter steht mir gegenüber, sieht mir in die Augen. Dann streicht sie sich durchs Haar und sagt: »Ich muss gleich in die Turnhalle. Du schaffst das schon. Kopf hoch!« Sie kommt einen Schritt auf mich zu, umarmt mich kurz. Sie duftet vertraut, nach einer Mischung aus ihr und dem Sportduschgel, das sie immer schon verwendet. Einen Moment lang wünsche ich mir, sie würde mich nicht mehr loslassen, bei mir bleiben, auf mich aufpassen. Aber ich bin ja kein Kleinkind mehr. Ich mache mich los.
    »Wird schon«, murmle ich.
    Sie zwinkert und macht einen Schritt rückwärts. Ihre Sportschuhe tapsen durch eine Pfütze. Ich höre die Schlüssel in ihrer Hand klappern, sie schließt die Turnhallentür auf, die hinter ihr wippend ins Schloss zurückschnellt. Ich bin allein. Mitten im Regen, der stärker geworden ist. Langsam setze ich einen Fuß vor den anderen, gehe in Richtung Schule. Am Eck höre ich eine Stimme. Julias Stimme. »Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass sie so ausflippt.Okay, ich wusste, er ist ihr Erster, aber ich dachte, sie sei cool …«
    »Ist doch wirklich nicht deine Schuld, Julia.« Annabelle.
    Schnell ducke ich mich hinter einem gelben Auto.
    Sie gehen dicht an mir vorbei, reden jetzt über etwas anderes, irgendeinen Test, den sie vermutlich heute schreiben.
    Ich sinke noch tiefer, merke, dass meine Jacke in eine Pfütze hängt. Mist.
    Und da weiß ich, dass es nicht geht. Dass ich einfach nicht kann.
    Geduckt schleiche ich zwischen den Autos durch, drücke mich am Tor vorbei und renne dann. So weit weg von der Schule wie möglich.
    Irgendwie bin ich auf der Insel gelandet. Es sind erstaunlich wenig Menschen unterwegs. Nur ein Opa mit einem Hund und ein paar Lieferwagen. In einem Bäckereicafé kaufe ich mir noch einen Kaffee und ein Croissant und stelle mich an einen der Stehtische, warte darauf, dass es zu regnen aufhört. Tropfen laufen an der Scheibe hinunter, draußen fährt das Müllauto vor, rüttelt die Tonnen ordentlich durch, bevor es sie auskippt.
    Der Regen scheint schwächer zu werden. Als ich wirklich nicht mehr so tun kann, als wäre noch etwas in meiner Tasse, und die Blicke der Verkäuferinnenimmer seltsamer werden, gehe ich auf die Toilette. Das Mädchen im Spiegel kommt mir vor wie eine Fremde, eine blasse, uninteressanteZwillingsschwester von mir selbst. Am Kinn entdecke ich einen großen Pickel. Ich suche in meiner Tasche nach einem Abdeckstift, kann aber keinen finden. Mit dem Finger quetsche ich ein wenig darauf herum. Es blutet. Sonst passiert nichts. Ich presse Klopapier drauf und stecke ein paar Papiertücher ein.
    Zum Glück hat es aufgehört zu regnen.
    Ich mache mich auf den Weg zum Hafen. Als ich das letzte Mal hier war, hatte ich Spaß. Obwohl da alles schon angefangen hat. Ich wünsche mir ein Wunder. Oder zumindest, dass Marco auftaucht. Vielleicht kann ich irgendeinen Trick lernen, mit ihm herumziehen und auf der Straße auftreten. Wir könnten von hier fortgehen, irgendwohin, wo mich keiner kennt.
    Mit den Papiertüchern wische ich ein Stück Bank trocken und setze mich. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Meine Mutter wird ausflippen, wenn sie herausfindet, dass ich wieder nicht in der Schule war.
    Plötzlich fühle ich mich total unruhig, springe auf, und gehe. Und lande bei dem Busch, in dem ich mich im Riemen von seinem

Weitere Kostenlose Bücher