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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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»Es könnte jeder gewesen sein. Wilde Verdächtigungen helfenda nicht weiter. Und ehrlich gesagt, verstehe ich, dass alle glauben, dass du selbst dahintersteckst. Es ist einfach die logischste Erklärung.«
    Ich fasse es nicht. Ohne nachzudenken, nehme ich das Kissen und knalle es ihr mitten ins Gesicht. Dann gehe ich, schaue mich nicht mal mehr um.
    Ich fasse es nicht. Der einzige Mensch, der zu mir hält, ist ein Straßenkünstler, von dem ich nicht mal den Nachnamen weiß. Einer, den ich gerade erst kennengelernt habe und vielleicht nie wieder sehe. Und vielleicht noch mein Vater.
    Mein Gesicht fühlt sich total heiß an, als ich zu Hause ankomme.
    »Bist du krank?«, fragt meine Mutter, sieht aber eher neugierig aus als besorgt.
    Ich versuche mich an ihr vorbeizudrücken. »Clara war unterwegs.«
    »Warum hast du dich denn so dick angezogen?«
    Ich verdrehe die Augen. Aber so, dass sie es nicht sieht. »War mit dem Fahrrad«, erkläre ich. »Und ich fühl mich wirklich nicht gut.«
    »Alles psychisch.« Meine Mutter legt mir eine Hand auf die Schulter. »Lass uns zusammen ins Fitnessstudio gehen oder eine Runde laufen, da lässt sich Stress gut abbauen.«
    »Nein, ich, also ich … Ich muss noch was für die Schule machen«, behaupte ich.
    »Aber du warst doch heute gar nicht dort.«
    »Ja, eben.« Ich bin selbst erstaunt, wie gut ich mittlerweile lügen kann. »Ich muss mich dringend für morgen vorbereiten, wenn ich heute schon gefehlt habe.« Wegen der Entschuldigung für heute frage ich lieber meinen Vater.
    »Es würde dir wirklich guttun«, ruft sie mir nach.
    Ich seufze leise.
    Natürlich kann ich mich kein bisschen auf die Schule konzentrieren. Stattdessen besorge ich mir ein Download über das Knacken von Passwörtern. Dann versuche ich es selbst. Besser gesagt, ich versuche, mir wieder Zugang zu meiner Facebook-Seite zu verschaffen und diese dann zu löschen. Endgültig. Trotz der guten Tipps habe ich keinen Erfolg. Meine Augen brennen. Ich hoffe, ich brauche nicht bald eine Brille. Ich verstehe nicht, warum Clara plötzlich total ausschließt, dass Erwin was damit zu tun haben könnte. Vielleicht könnte ich ja selbst weiterforschen? Ich bin ein wenig nett zu ihm und frage ihn, ob er mir hilft, das Passwort zu knacken? Immerhin hat er mir bisher ja geglaubt. Natürlich fange ich nicht wirklich was mit ihm an. Wirklich nicht!
    Immer wieder muss ich an das denken, was Clara gesagt hat.
    Ich hätte wirklich gedacht, dass sie eine echte Freundin ist, dass Freundinnen zueinanderhalten.Aber Clara hält sogar eher zum Cousin ihres Freundes als zu mir. Ich schlucke. Irgendwas in mir tut furchtbar weh. Vermutlich, weil ich nie gedacht habe, dass sie so über mich denkt.
    Es ist eine dieser Nächte, wo man das Gefühl hat, überhaupt nicht geschlafen zu haben, und die Gedanken, irgendwie anders sind als sonst, sich ein Stück weit selbstständig machen und zu seltsamen Träumen werden. Ich haue ab, komme in Australien bei einem Zirkus unter, wo ich Kängurus dressieren soll, während Marco eine Feuernummer macht. Doch als ich mit ihm reden will, spuckt er mir eine Ladung Feuer entgegen …
    Ich bin froh, als es endlich hell wird und ich aufstehen kann. Ich stelle mich unter die Dusche, reibe mich zweimal mit Duschgel ein und mache eine Haarkur. Vielleicht hilft es ja etwas, wenn ich das Gefühl habe, so schön wie möglich zu sein. Dummerweise schneide ich mich beim Rasieren ins Knie. Ich klebe ein Pflaster drauf. Lächerlicherweise hat es ein Dschungelbuchmotiv. Mein Vater kauft immer noch Kinderpflaster, hat anscheinend nicht kapiert, dass ich für so was längst viel zu alt bin. Gut, dass es Herbst ist, dann sieht wenigstens niemand das Ding.
    Als ich runterkomme, plärrt mir aufmunternde Musik entgegen. Meine Mutter hat die Haare hochgesteckt. Das macht sie immer, wenn sie sich besonders energiegeladen fühlt oder fühlen will. Mein Vater sieht mich an, deutet dann mit dem Kinn auf meine Mutter und zuckt die Achseln. Ich lächle ihn an und atme tief durch. Irgendwie fühle ich mich fremd. So gar nicht wie ich selbst. Ein wenig, als wäre ich immer noch in einem irren Traum gefangen oder eine Figur in einem Film. Vielleicht ist das die Lösung. Ich stelle mir vor, ich sei jemand in einem Buch und mir wäre das alles passiert. Einer ganz anderen, mutigeren, cooleren Person als ich selbst. Genauso, wie ich früher gespielt habe, ich sei Anne von Green Gables oder Madita. Es scheint zu funktionieren. Ich

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