Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
Vom Netzwerk:
Rucksack verfangen habe. Vielleicht ist er ja da. Oder zumindest der Rucksack.
    Aber da ist nichts. Nicht einmal ein Abdruck verrät, dass hier jemand war. Es ist, als hätte es Marcogar nie gegeben. Als hätte ich ihn mir genauso ausgedacht wie Mario. Sein Name ist ja auch ganz ähnlich. Vielleicht bin ich ja wirklich verrückt …
    Und weil ich mich so seltsam fühle, keine Ahnung habe, was ich jetzt noch tun könnte, beschließe ich, einfach so, nach Bregenz zu fahren. Irgendwo einen Bummel zu machen, wo alles anders ist, wo mich niemand kennt.
    Kurz vor vier Uhr biege ich in die Straße ein, in der ich wohne. In den meisten Häusern brennt bereits Licht. Mir ist kalt und mein Magen knurrt. Gut, dass meine Eltern heute beide bis fünf Uhr arbeiten. Bis dahin bin ich locker in meinem Zimmerverschwunden, kann sogar vorher noch was essen …
    Leider wird nichts draus. Komischerweise brennt auch bei uns Licht im Flur. Und als ich die Haustüre aufmache, rumpelt es und beide kommen mir entgegen. Ich suche Blickkontakt zu meinem Vater, versuche herauszufinden, was los ist. Aber er weicht mir aus, läuft auf dem schnellsten Weg zurück ins Wohnzimmer, legt Holz im Kamin nach, obwohl das Feuer noch gut brennt.
    Es knistert und lässt helle Schatten im bereits ziemlich düsteren Zimmer tanzen. Ich setze mich aufs Sofa, auf genau die gleiche Stelle wie gestern, und reibe meine Füße aneinander, die sich anfühlen wie zwei Eisklötze.
    Mein Vater werkelt weiter am Ofen herum und meine Mutter bleibt vor mir stehen, sieht mich von oben herab an. Plötzlich bemerke ich, dass mein Laptop auf dem Wohnzimmertisch steht.
    »Was soll das?«, frage ich und meine Stimme klingt dünn und ein wenig piepsig.
    »Ich habe dir vertraut, Sofie«, sagt meine Mutter. Ich sehe zu meinem Vater hin. Dieser ordnet die Holzscheite im Korb neu und tut, als würde ihn alles nichts angehen.
    »Du willst also immer noch behaupten, dass du mit all den Filmen auf deiner Seite nichts zu tun hast?« Meine Mutter hat dunkle Ränder unter den Augen, die ich bisher noch nie bemerkt habe.
    Ich schlucke und nicke dann. »Natürlich nicht, ich habe euch doch gestern alles erzählt …«
    »Du hast auch erzählt, dass du heute zur Schule gehst. Oder dass du Mathe gelernt hast.« Meine Mutter läuft zum Tisch, dabei fegt sie mit dem Ärmel ein Blatt Papier herunter. Sie bückt sich und hebt es auf, reißt fast ein Stück ab. Dann fuchtelt sie mir damit unter meiner Nase herum. Es ist meine Mathearbeit und eine glatte Sechs. Die allererste Sechs in meinem Leben.
    »Na ja«, sage ich, »ich konnte mich nicht konzentrieren.«
    »Nicht konzentrieren! Du weißt ganz genau, wie wichtig heutzutage gute Noten sind. Viel mehr Schülerinnen besuchen ein Gymnasium, viel mehr bewerben sich auf einen Studienplatz. Da kann man sich solche Ausrutscher in den oberen Klassen nicht mehr leisten. Das führt unweigerlich ins ›Aus‹. Du willst doch nicht auf Hartz IV …«
    »Jetzt aber mal halblang«, wird sie von meinem Vater unterbrochen. »Du übertreibst maßlos. Ich hatte auch …«
    Und da passiert etwas sehr Seltenes: Meine Eltern fangen an, sich zu streiten. Meine Mutter wirft meinem Vater vor, dass er längst Leiter seiner Abteilung sein könnte, wenn er etwas ehrgeiziger wäre, und mein Vater erklärt, dass er überhaupt nicht Chef sein will und ihm sein Job so ganz gut gefällt.
    Ich überlege gerade, mich zu verdrücken, einfach aufstehen, mein Laptop schnappen und dann nach oben verschwinden, da herrscht meine Mutter meinen Vater an: »Was soll das eigentlich jetzt, Dieter! Die Note ist ja noch das kleinste Problem!«
    Mein Vater klappt den Mund auf und dann wieder zu.
    »Warum warst du heute nicht in der Schule?«, fragt meine Mutter und sieht mich direkt an. Mir kommt es so vor, als würden sich ihre Augen in mich hineinbohren.
    »Ich habe Julia und Annabelle über mich lästern hören«, sage ich und merke, dass meine Lippe blutet, weil ich darauf herumgekaut habe.
    »Das hört sich doch alles ganz logisch an.« Mein Vater sieht wieder ein wenig mehr aus wie er selbst, ist mir mit einem Mal wieder näher.
    »Ja. Aber wie erklärst du, dass sämtliche dieser schrecklichen Filmchen auf deiner Festplatte gespeichert sind? So was ist doch technisch überhaupt nicht möglich!« Meine Mutter fuchtelt mir mit dem Zeigefinger unter der Nase herum.
    »Aber das kann doch nicht sein«, stottere ich. »Sie sind auf der Facebook-Seite …«
    »Hier.« Meine Mutter klappt das

Weitere Kostenlose Bücher