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Pasta Mortale

Pasta Mortale

Titel: Pasta Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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grundlos in Schubhaft genommen. Die Frau ist gut integriert,
macht freiberuflich Übersetzungen für die UNIDO , ihre kleine Tochter geht hier zur
Schule, und irgendein hoher Schackl vom Außenministerium hat angeblich sogar
eine Bürgschaft für sie abgegeben. Soviel ich gehört habe, stehen ihre Chancen
auf Asylgewährung nicht schlecht. Aber selbst falls nicht. Warum sollte bei
jemandem wie Frau Modrianow die Gefahr bestehen, unterzutauchen? Und das wäre
doch der einzige Grund, jemanden in Schubhaft zu nehmen, oder?«
    »Aha, die Frau Modrianow. Wieder einmal.« Fuscheés Reaktion
ließ keinen Zweifel offen, dass er diesen Fall bereits kannte und dass er ihm
bereits ein wenig auf die Nerven zu gehen schien.
    »Was heißt ›wieder einmal‹?«, Palinski fuhr den
Minister fast an. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Valerias Verhalten dazu
angetan ist, ihren Fall immer wieder ins Rampenlicht zu zerren.«
    »Das nicht, da hast du völlig recht«, versuchte Fuscheé zu
kalmieren. »Es ist nicht ihre Schuld oder besser, kaum ihre Schuld. Am Anfang
hat sie allerdings einen Fehler gemacht, der ihr bis heute nachhängt. Sie hat
gelogen.«
    »Aber es ist doch hinlänglich bekannt«, konterte
Palinski, »dass Flüchtlinge zunächst lieber nicht alles sagen oder gelegentlich
auch einen Sachverhalt verdrehen. Die Leute kommen ja nicht zum Small Talk her,
sondern haben existenzielle Ängste. Und das nicht nur wirtschaftlich, wie ihr
das inzwischen schon automatisch unterstellt. Das Argument der Lüge dient doch
wirklich nur dazu, diese Leute wieder loszuwerden.«
    »Unrichtige Angaben machen ist und bleibt ein möglicher
Grund, einen Asylantrag negativ zu bescheiden«, konstatierte der Minister
nochmals. »Es ist doch auch eine Frage der Moral, die Wahrheit zu sagen.«
    Jetzt brannte bei Palinski tatsächlich die letzte Sicherung
durch. »Was? Das soll eine Frage der Moral sein? Das ist das Verlogenste, was
ich je gehört habe.« Er atmete mehrere Male schwer durch. »Wir leben in einer
Gesellschaft, in der gelogen, betrogen und gestohlen wird, dass sich die Balken
nur so biegen. Und je tüchtiger jemand dabei ist, desto höher ist sein Ansehen
in unserer Gesellschaft. Da ist das eine Frage der Effektivität und nicht der
Moral. Und bei den armen Menschen, die nichts anderes wollen, als ihr Leben
retten oder ihre Menschenwürde, da wird die einfache Lüge, die unpräzise
Angabe, die irrtümliche Fehlleistung plötzlich unter so grausame Konsequenz
gestellt.« Palinski hatte sich wieder etwas beruhigt. »Schlimm ist das, sehr
schlimm.«
    »Aber wir können doch nicht alle Menschen bei uns
aufnehmen«, widersprach Fuscheé, »die das möchten. Das würde unsere
Möglichkeiten völlig übersteigen. Und politisch steht das auch keine Partei
durch.«
    »Mein Vater hat mir erzählt, wie es 1956 war, als mehr als
250.000 ungarische Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind«, warf Mario ein.
»Die berühmte Brücke von Andau stand weit offen, am österreichischen Ende
wurden die Menschen, die ungarischen Nachbarn von Freunden empfangen, mit Essen
und Kleidung versorgt. Und das elf Jahre nach Kriegsende. Zu einer Zeit, in der
es den Österreichern auch noch nicht so irrsinnig gut gegangen ist. Heute wäre
diese Brücke wahrscheinlich eher gesprengt worden, zumindest aber
verbarrikadiert. Und die Staatsmacht würde wohl jeden vorerst einsperren, der es
dennoch wagt, rüberzukommen. So für alle Fälle.« Er schüttelte den Kopf. »Und
wer dann in der Eile seinen Pass vergessen hat, hat eben Pech gehabt. Zurück an
den Start, Ausweis holen aus dem von den Sowjets zerschossenen Budapest. Pfui
Teufel, mir kommt das Speien.« Palinski hatte sich jetzt wieder so richtig in
Rage geredet. »Wo ist denn die Solidarität geblieben, wo kommt denn dieser
ekelhafte, monströse Egoismus her? Ihr lasst euch doch wirklich von einigen
Demagogen und seltsamen Figuren aus dem rechten Eck aus euren Prinzipien und
der Menschlichkeit hinausjagen.« Er machte eine resignierte Geste. »Und die
Mehrheit der Opposition ist auch nicht wirklich menschlicher.«
    Nachdenklich nickte Fuscheé mit dem Kopf. »Da ist
was dran an dem, was du gesagt hast. Das scheinbar Widersprüchliche ist ja,
dass der Egoismus mit dem allgemeinen Wohlstand, was immer das auch sein mag,
gestiegen ist. Je mehr die Menschen zu verlieren haben, desto mehr Angst haben
sie anscheinend. Davor und überhaupt.«
    »Entschuldige meinen

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