Pasta Mortale
schnäuzte er sich kräftig, knüllte das Tuch zusammen und steckte
es wieder ein.
Ob er Personenschutz anfordern sollte?
3.
Ivo W.
Sprossen war Patron eines der traditionsreichsten und ältesten Luxusrestaurants
Wiens, der ›Fünf Ulanen‹. Das Lokal, dessen Ursprünge ins 19. Jahrhundert
zurückreichten, war in den letzten Jahren nie so richtig im Trend gelegen und
daher auch nie außerhalb des Mainstreams. Topqualität, noble gastrosophische
Gesinnung und dezenter Luxus waren eben Ingredienzien, die zeitlos und daher
immer gefragt waren.
Sprossen hatte sein Lokal gegen 2 Uhr früh verlassen und sich
in seine kleine Stadtwohnung im vierten Stock desselben Hauses in der Wiener
Innenstadt begeben. Da er am nächsten Morgen bereits um 9 Uhr einen Termin
hatte, hatte er davon Abstand genommen, in das von der Familie bewohnte Haus im
niederösterreichischen Raasbach zu fahren. Nach einem letzten Glas Wein als
Good Night Cup war er gegen 3 Uhr zu Bett gegangen.
Kurz nach 5 Uhr wurde Sprossen durch mindestens
zwei dumpfe Geräusche, Explosionen, wie sich später herausstellen sollte, aus
dem Schlaf gerissen. Er taumelte zum Fenster des Schlafzimmers und warf einen
Blick in den darunterliegenden Innenhof. Gerade rechtzeitig, um noch eine eher
kleine, dunkel gekleidete Gestalt davoneilen und durch das straßenseitige Tor
tänzeln zu sehen. Gleichzeitig konnte Sprossen aber auch den Widerschein von
Flammen erkennen, was ihn Feuer in einem Raum seines Lokals befürchten ließ.
Rasch griff er zu seinem Handy und informierte Feuerwehr und Polizei. Dann zog
er sich schnell das Notwendigste an und ging hinunter, um zu schauen, was denn
da eigentlich geschehen war.
*
Palinski war kurz vor 7 Uhr im Ministerium und
wartete im Vorzimmer des Ministerbüros auf das Erscheinen Dr. Josef
Fuscheés. Im Rahmen seiner Beratungstätigkeit für die Polizei hatte er
gelegentlich auch mit dem Innenminister persönlich zu tun gehabt. Und so hatte
sich über die Jahre eine auf gegenseitigem Respekt beruhende, tja, Sympathie
entwickelt. Der Begriff ›Freundschaft‹ wäre vielleicht ein wenig zu hoch
gegriffen. Immerhin hatte Josef Mario seine private Handynummer verraten und
ihn damit in die Lage versetzt, ihn jederzeit erreichen zu können. Zumindest so
lange, wie er den Minister nicht derart durch ständige Anrufe nervte, dass
dieser sich eine neue Rufnummer zuteilen ließ.
Politisch vertrat Palinski zwar in den meisten
gesellschaftspolitischen Fragen Standpunkte, die sich in der Regel doch mehr
oder weniger deutlich von jenen des Ministers unterschieden. Zumindest
offiziell, denn Mario hatte sehr wohl mitbekommen, dass der Politiker
gelegentlich auch Positionen vertreten musste, die mit seinem ureigensten
Standpunkt zu diesem oder jenem Thema nicht mehr sehr viel gemein hatten.
Wie auch immer, die beiden Männer mussten sich nichts
vormachen. Und das war eine Basis, auf der das zarte Pflänzchen Vertrauen eine
Chance hatte.
Frau Stolterau, eine der guten GeisterInnen des
Ministerbüros, ja, das war Political Correctness, hatte Palinski eben eine
Tasse Kaffee gebracht, als Ministerialrat Miki Schneckenburger den Raum betrat.
»Der Chef ist im Anflug«, informierte er Palinski, »du hast
exakt«, er blickte auf seine Armbanduhr, »zwölf Minuten, dann muss der Chef zum
nächsten Termin. Ist das klar?«
Während Palinski noch zustimmend nickte und rasch die Tasse
leerte, war der große Mann auch schon da: Dr. Josef Fuscheé, Innenminister
der Republik Österreich und möglicherweise der nächste Kanzler. Falls die
Gerüchte um die Amtsmüdigkeit des derzeitigen Regierungschefs zutrafen und die
große Oppositionspartei nicht wieder ungeschickt genug sein würde, ihren
derzeit zweifellos nicht nur demoskopisch vorhandenen Vorsprung in der
Wählergunst im entscheidenden Moment in den Sand zu setzen. Na ja, bis zum
nächsten Urnengang dauerte es noch mehr als ein Jahr, da konnte einiges
geschehen.
»Hallo, Mario«, begrüßte ihn der Minister, »was
kann ich für dich tun?« Er deutete auf die von Frau Stolterau geöffnete
tapezierte Doppeltür zu seinem Allerheiligsten. »Komm rein und sprich, ich muss
leider gleich wieder weg.«
»Eine gute Freundin von uns«, Palinski ging vorerst nicht
näher darauf ein, wer mit ›uns‹ gemeint war, »Frau Valeria Modrianow aus
Moldova oder Moldau, die hier einen Asylantrag laufen hat, wurde gestern völlig
überraschend und
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