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Pasta Mortale

Pasta Mortale

Titel: Pasta Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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bedeutete Tina,
und mit Harry in Konstanz telefonierte. Nur ihn rief die Frau Bezirksrat nie
an. Na, so gut wie nie.
    Vielleicht würde es ja doch ganz nett werden, so als
Großvater. Da konnte er dann nach Südtirol fahren und auf den Kleinen …
    Jessas na, das war’s. Er hatte ganz vergessen,
Silvana anzurufen, die ihn, wie lange war das jetzt her, über Wilma informiert
hatte, dass er Großvater wurde. Das musste er aber gleich in Ordnung bringen,
ehe er es wieder vergaß. Dieses Vergessen, ob das bereits die ersten Anzeichen
von Altersdemenz waren? Oder noch Schlimmeres? So nach dem Motto ›Schönen Gruß
vom Wie hieß er bloß noch?‹.
    Und wenn der Giftanschlag im ›Desirée‹ doch ihm gegolten
hatte? Plötzlich bekam Palinski wieder Angst. Nicht schreckliche, aber diese
lästige, leicht bohrende, die einen erst mit der Zeit in den Wahnsinn trieb.
Wenn er bloß nicht immer …

     
    *

     
    Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem
Untergang des Kommunismus in den Ländern des ehemaligen Ostblocks begannen sich
die Gesellschaften der einzelnen Nachfolgestaaten neu zu organisieren. Wie
immer im Leben, gab es auch hier neben den Gewinnern zahlreiche Verlierer, an
denen die Vorteile des neuen Systems vorbeigingen beziehungsweise die sie nicht
nutzen konnten. Die aber die Nachteile voll zu spüren bekamen, zunächst den
Wegfall der scheinbaren Sicherheiten einer Planwirtschaft und dann auch noch
den der Solidarität. Dieser zunehmende Mangel an Wärme und Miteinander wurde
von vielen als besonders schmerzlich empfunden.
    Moldovan oder Moldawien, wie das Land auf Deutsch genannt
wurde, hinkte in seiner Entwicklung noch hinter den anderen ehemaligen
Sowjetrepubliken nach und war, und ist dies immer noch, das Armenhaus Europas.
    Da begannen einige Menschen mit Herz, Gefühl und einem
höheren Verantwortungsbewusstsein verpflichtet, die aus Moldawien, Rumänien und
einigen Staaten der EU stammten, außerhalb der immer herzloser werdenden Bürokratie ihrer Regierungen
mit einer Aktion der Menschlichkeit.
    Der ursprüngliche Plan war es gewesen, junge Familien, die in
Moldawien keine Chance hatten, in ein Land der EU zu bringen und ihnen so einen Neustart
unter menschenwürdigen Bedingungen zu ermöglichen. Die dazu erforderlichen Visa
wurden in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern einiger Konsularabteilungen
beschafft.
    In einer zweiten Phase wurden Visa dann auch an
begüterte moldavische Bürger und an andere Interessenten verkauft, wobei sich
der Preis jeweils an den finanziellen Möglichkeiten der Bewerber orientierte.
Da dieses Geld als Starthilfe für mittellose Emigranten vorgesehen war und
anfangs auch ausschließlich dazu verwendet wurde, war dieser Schritt noch
irgendwie moralisch vertretbar gewesen.
    Dr. Andrej Modrianow stand als Legationsrat der moldavischen
Vertretung in Rumänien von Anfang an im Zentrum dieser humanitären
›Verschwörung‹.
    Leider waren der Anreiz und damit auch die Macht
des schnöden Mammons wieder stärker als Ideale gewesen, und einige der an der
Visabeschaffung beteiligten Personen hatten begonnen, in die eigene Tasche zu
wirtschaften. Dr. Modrianow, der sich nach einhelliger Ansicht der
Untersuchungskommission sowohl des österreichischen als auch des moldavischen
Außenministeriums bei allen seinen Aktivitäten nicht bereichert hatte, wollte
diesen Missstand offenbar beseitigen. Notfalls auch dadurch, dass er die
führenden Köpfe dieser Abkassiererbande ohne Rücksicht auf Verluste auffliegen
lassen wollte. Das war einem Tonbandprotokoll zu entnehmen, das nach seinem
Tode aufgefunden worden war.
    Dr. Modrianow, der bereits für den darauffolgenden Tag einen
Termin bei der rumänischen Staatsanwaltschaft vereinbart hatte, kam von einer
Besprechung spät am Abend nicht mehr zurück. Sein Leichnam war wenige Tage
später in einem kleinen Wäldchen nahe der rumänischen Hauptstadt aufgefunden
worden. Mit eingeschlagenem Schädel und abgeschnittener Zunge.
    Drei Wochen danach war Valeria mit Natascha
Modrianow in Wien aus einer Maschine der Tarom gestiegen und hatte sofort einen
Asylantrag für sich und ihre Tochter gestellt.
    Der mysteriöse Tod Andrej Modrianows war bisher nicht
aufgeklärt worden. Die Untersuchung der Visa-Affäre, von der ja lediglich die
berühmte Spitze des Eisberges bekannt geworden war, hatte wie das bekannte Hornberger
Schießen geendet. Außer einigen unwichtigen Bauern hatte es keine Opfer

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