Pasta Mortale
irgendwo mitten in einem
wunderschönen Wald befand. Ein Ort, an dem sich aufzuhalten sie unter anderen
Umständen sehr genossen hätte. Aber in ihrem Falle irritierte sie dieser
Wechsel im vorgesehenen Programm doch eher.
»Sollte ich nicht schon in der Maschine nach Bukarest
sitzen?«, fragte sie ihren Aufpasser möglichst beiläufig. »Es hat doch
geheißen, dass ich gleich morgens zum Flughafen gebracht werde.«
Einer der beiden Männer, die sie hergebracht hatten, nahm ihr
nun wieder die Augenbinde sowie die Handschellen ab. Der zweite stellte
lakonisch fest, dass sich ihre Befehle heute Morgen geändert hätten und sie
eben nur ihre Pflicht täten. Und damit basta.
»Man wird Ihnen rechtzeitig sagen, wie es weitergeht«,
überlegte er dann noch. »Genießen Sie bis dahin die gute Luft und die
unbelastete Umwelt. Hehehe«, er beschloss den anscheinend für gut gehaltenen
Scherz mit einem leicht meckernden Lachen.
»In Rumänien sollen die diesbezüglichen Bedingungen ja nicht
rosig sein. Hehehe.«
Valeria Modrianow war nicht so leicht einzuschüchtern. In den
31 Jahren ihres Lebens hatte die Moldavierin bereits mehr gefährliche
Situationen er- und überlebt als ein durchschnittlicher Westeuropäer in seinem
gesamten Leben. Richtig Angst hatte sie erst ein einziges Mal gehabt, damals im
Zusammenhang mit dieser unseligen Geschichte, die mit dem Tod Andrejs geendet
hatte.
Auch jetzt hatte sie – noch – keine Angst, aber irgendetwas
an der ganzen Geschichte gefiel ihr nicht. Absolut nicht, und sie hatte über
die Jahre ein zuverlässiges Sensorium dafür entwickelt. Valeria beschloss
daher, vom Schlimmsten auszugehen und sich und ihr Verhalten danach
auszurichten. Mehr konnte sie im Moment nicht tun. Außer hoffen, dass die
Arenbachs gut zu Natascha sein würden, wie sie versprochen hatten.
Je länger sie über ihre Situation nachdachte, desto wütender
wurde die Frau. Und desto klarer glaubte sie zu sehen. So hatte das leise aufkeimende
mulmige Gefühl gar keine Chance, sich auszubreiten. Es musste einer viel
stärkeren Empfindung Platz machen, nämlich dem heiligen Zorn der Valeria
Modrianow. Der jetzt in ihr hochstieg. Und der war nicht ohne.
6.
Palinski war kurz nach 15 Uhr nach einem sehr
anständigen Essen in den ›Salzburger Stuben‹ wieder in sein Büro zurückgekehrt.
Also wirklich, da war nichts auszusetzen gewesen. Na ja, vielleicht hätten die
grünen Nudeln eine klitzekleine Spur mehr Biss vertragen. Und die Suppe hätte
etwas heißer sein können. Aber bitte, das waren jetzt wirklich Haarspaltereien,
schalt er sich selbst. Verlegenheitsrülpser eines Erbsenzählers. Und so einer
war er schließlich nicht, nein. Wenn es nach ihm ging, würde Küchenchef
Wellmeyer und seine Mannschaft wieder einen der begehrten Goldenen Kochlöffel
erhalten. Mindestens einen.
»Florian«, wies er seinen Assistenten und, ja, das
musste man so sagen, Stellvertreter an, »geh ins World Wide Web und schau, was
du über einen Josef Bartulek finden kannst. Und über den Mord an einem gewissen
Dr. Modrianow, Vornamen weiß ich keinen.« Er holte den Zettel aus seiner
Jackentasche, auf dem er sich einige Notizen gemacht hatte. »Das Ganze hat auch
mit dem Visa-Skandal vor einigen Jahren an der Botschaft in …«, er blickte
neuerlich auf den Wisch, »… Bukarest, glaube ich, ja, in Bukarest zu tun.«
»Da ist gerade vorhin ein Bericht übers Internet von
Ministerialrat Schneckenburger gekommen«, unterbrach Nowotny. »In dem geht es
auch um dieses Thema. Ich hab die Datei ausgedruckt und auf den Schreibtisch
gelegt.«
»Gut«, Palinski war zufrieden. Auf dem Weg in sein
Büro blickte er auf die Uhr. Es war 20 Minuten nach drei am Nachmittag, noch
etwas mehr als eineinhalb Stunden bis zur Fledermaus-Probe im Haus der
Begegnung. Da hatte er ja genug Zeit, den Bericht zu lesen. Oder sonst was zu
tun. Was war ihm bloß vormittags durch den Kopf geschossen? Was er tun musste,
weil es eigentlich längst hätte getan werden müssen? Ach ja, Juri musste er
anrufen. Aber das war nicht das, was er vorhin gemeint hatte.
Was Wilma wohl machte? Seit sie bei den Grünen aktiv war,
bekam er sie überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Dass sie so egoistisch war, war
er gar nicht gewöhnt von ihr.
Und die Kinder? Beide waren
im Ausland, riefen alle ein, zwei Wochen an, und das war’s dann auch schon. Er
hatte allerdings den Verdacht, dass Wilma öfter mit Paris, das
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