Pasta Mortale
der Notarzt inzwischen eingetroffen und scheuchte
Palinski weg.
Der stand jetzt wieder dort, wo er bereits vor fünf Tagen
gestanden war. Das war ein ganz schöner Schock. Sich mit dem Gedanken
auseinandersetzen zu müssen, dass es vielleicht doch jemanden gab, der es auf
ihn abgesehen hatte. Und zwar nur auf ihn.
Die Frau, die neben Wilma stand, lächelte ihn ungeniert an.
Wilma grinste und sagte nichts. Und der Mann neben der Frau neben Wilma grinste
ebenfalls und sagte auch nichts. Waren denn heute alle verrückt geworden?
»Hallo, Herr Pé. Das war ja trotz allem eine tolle
Aufführung!«, sagte die Frau neben Wilma freundlich. »Bloß der Schluss war
etwas gewalttätig.«
»Danke, es ist ganz gut gelaufen«, antwortete Mario höflich,
wie es seine Art war. Und unaufmerksam. »Sie müssen uns jetzt aber
entschuldigen, ich habe einen harten Tag hinter mir.«
Dann wandte er sich zu Wilma und meinte: »Komm, lass uns nach
Hause gehen. Übrigens, die Dame neben dir hat eine gewisse Ähnlichkeit mit
Carola Harbach. Lustig, was?«
Post Scriptum
Der Rücktritt Dr. Fuscheés als Innenminister
beherrschte nach wie vor die Medien. Zumindest indirekt. Den
Nachfolgespekulationen hatte der Kanzler entschlossen einen Riegel
vorgeschoben, indem er bereits gestern, Montagmorgen, die Nachfolgefrage entschieden
hatte. Dr. Manfred Eislinger war politisch ein noch unbeschriebenes Blatt. Aber
talentiert und sicher auch formbar. Seine bisherige Funktion als Personalchef
eines international tätigen Konzerns, dessen Aktienkurse in den letzten Jahren
direkt proportional zur Anzahl der ›freigesetzten‹ Mitarbeiter in die Höhe
geschossen waren, ließen auf eine gesunde Härte im Umgang mit Menschen
schließen.
Fuscheé dagegen hatte erklärt, mit seiner Frau auf einer
Segeljacht ein Jahr lang um die Welt fahren zu wollen. Für die Zeit danach
lägen ihm einige Angebote aus der Wirtschaft vor, er hätte sich aber noch nicht
entschieden. Also dann, Mast- und Schotbruch, alter Freund. Und auf ein
Wiedersehen.
Tja, die Premiere war ja gar nicht so übel gewesen. Ein
Kritiker hatte sogar geschrieben, dass es noch nie so eine schwache Fledermaus
gegeben hätte, bei der man sich so gut unterhalten hatte können. Bis auf die
drei Verletzten im letzten Akt natürlich.
Ja, sogar Palinskis improvisierte Zauberer-Persiflage war so
gut angekommen, dass sie am Sonntag wiederholt und auch für die restlichen
Vorstellungen fest ins Programm übernommen worden war.
Palinski hat Carola Harbach schließlich doch noch erkannt,
ganz klar, und sich sehr über ihren und Alberts Besuch gefreut. Die langen Gespräche
mit seiner Lektorin am Sonntag und auch gestern hatten die mentalen
Voraussetzungen für die für heute vorgesehene Beseitigung dieser verdammten
Schreibblockade geschaffen. »Vergessen Sie einfach das eine Kapitel, das Sie
schon fertig geschrieben haben«, hatte sie ihm empfohlen. »Fangen Sie ganz was
Neues an. Sie haben doch in den letzten Tagen ein paar verrückte Sachen erlebt.
Schreiben Sie die auf und machen Sie einen Roman daraus.«
Leider hatten sie und Albert keinen Tag mehr anhängen können,
um Zeugen von Palinskis Start zu seiner schriftstellerischen Wiedergeburt zu
werden. Aber sie würde ohnehin die Erste sein, die mit dem Ergebnis
konfrontiert wurde.
Gestern hat
Franka erzählt, dass Valeria und Martin heiraten wollten, schon bald, noch
diesen Herbst. Und dass sich Natascha sehr auf ihr Geschwisterl freute.
Insgeheim wünschte sie sich einen kleinen Bruder, wusste Tante Franka.
Helmut Wallner wieder schien mit seinen Recherchen in
Tunesien erfolgreich gewesen zu sein. Wie die Police National auf seine Anfrage
hin mitgeteilt hatte, handelte es sich nach Aussage des Hotels bei dem Mann,
dessen Foto er ihnen zugesandt hatte, nicht um Josef Markler, sondern um Edgar,
den Bruder Susanne Marklers. Der war nach Aussage des Hotels allerdings erst am
Freitag nach Bizerte gekommen, um seine Schwester und ihren Mann abzuholen.
Nachdem Josef und Edgar offenbar die Rollen getauscht hatten,
um etwas vorzutäuschen, das nicht den Tatsachen entsprach, war das ursprünglich
als wasserdicht angesehene Alibi Josef Bartuleks keinen Cent mehr wert. Wallner
war sich sicher, damit und in Verbindung mit den Handydaten dem mysteriösen
›Dekan‹ endlich auf die Spur gekommen zu sein.
Karl Heinz Kracherl ging es wieder gut. Nach Auskunft der
Ärzte hatte er verdammt viel
Weitere Kostenlose Bücher