Pasta Mortale
Premiere. Anscheinend hatte
das sehr gut gelaunte Publikum aber seine Versuche, Karten verschwinden und
Tücher erscheinen zu lassen, von Anfang an als Persiflage betrachtet. Jeder
unerwartete Lacher, und derer gab es erstaunlich viele, hatte zur Folge, dass
Palinski oder Bajazzo, ihm war im Moment selbst nicht klar, wer er eigentlich
war, in seiner Rolle als Pausentrottel immer selbstbewusster und damit auch
besser wurde.
Dann kam es zum abschließenden Höhepunkt seines Auftritts. Er
stellte eine Metallschale vor sich hin, holte das besagte kleine Büchlein aus
der Tasche, spielte einen vergeblichen Versuch vor, es wegzaubern zu wollen.
Aber eben vergeblich. Erfreulicherweise gab das wieder einen Lacher, die Leute
waren wirklich nicht sehr anspruchsvoll.
Also nahm er das Buch, in das er vorher einige Knallerbsen
gesteckt hatte, feierlich in die Hand und ›bahrte‹ es sorgfältig in der Schale
auf. Dann holte er eine große Flasche Wodka aus der anderen Jackentasche,
schüttete das hochprozentige Zeug darüber und entzündete den kleinen
Knallfrosch, den er schon in der Hand gehabt hatte. Den warf er dann unter
entsprechendem Geknalle auf die Schale, worauf sich die leicht entzündbare
Flüssigkeit entsprechend verhielt. Das Ganze gab eine große Stichflamme, die
das kleine Buch, akustisch untermalt vom Geknalle der Knallerbsen, in wenigen
Minuten zu einem mickrigen Häufchen Asche verwandelte.
Palinski deutete theatralisch auf die immer kleiner werdende
Flamme, breitete seine Arme weit aus und verneigte sich tief. Auch dafür gab es
eine Menge Beifall. Besonders von vier Männern, die schon den ganzen Abend auf
diesen Moment gewartet hatten.
Jaja, auf diesen Bajazzo war wirklich Verlass.
Wie auch auf den Bürgermeister, der sich eben anschickte, mit
einem Fiaker in den Park einzufahren und dazu ›I hab’ zwa harbe Rappen‹ von
sich zu geben.
*
Der Anfang des 3. Aktes stand zunächst im
Zeichen des talentierten Patrick Eiseler, eines 22-jährigen Schülers des
Reinhardseminars, der, auf alt geschminkt, einen hinreißenden Frosch gab. Der
sein kleines Reich, das von Direktor Frank geführte Gefängnis, wie ein guter
österreichischer Beamter im Griff hatte.
Regisseur Ondrasek war klug genug gewesen,
Patrick freie Hand bei der maßvollen Modernisierung seines Textes zu lassen.
Denn, bei allem Respekt vor der Tradition, die alten Schmähs, die ohnehin jeder
kannte, waren zum Teil doch recht, na ja, abgenutzt. Auf jeden Fall war dieser
Teil des Librettos, im Gegensatz zur herrlichen Musik, sicher nicht unsterblich
und daher auch nicht sakrosankt. Auf jeden Fall gefiel die bearbeitete Version
den Leuten, und es gab, Sie haben es sicher erraten, heftigen Applaus.
Dann hatte Palinski seinen abschließenden Kurzauftritt als
Dr. Blind, der aber sehr rasch seine Utensilien an Eisenstein abgeben musste,
um eine abschließende Verkleidung zu ermöglichen.
Schließlich strömten alle Beteiligten und auch viele, die gar
nichts auf der Bühne verloren hatten, zur finalen Auflösung auf die Bühne. Und
jetzt passierte etwas Wunderbares. Etwas, das nicht nur Palinski eine Gänsehaut
über den Rücken jagte und ihm Tränen in die Augen trieb.
Es war die Szene, in welcher der spielerische Streit
entsteht, wer denn die Kosten für die Ausbildung der talentierten Adele zur Sängerin
übernahm. Eine Funktion, die zunächst der rührige Dr. Frank für sich
beanspruchte.
Dem Prinzen
Orlofsky war das aber nicht recht. Mit den Worten »Ich lass’ als Kunstmäzen
solch’ Talent mir nicht entgehen«, reklamierte er dieses Recht für sich. Und oh
Wunder, plötzlich wurde diese Stelle von zwei Stimmen vorgetragen. Der
biederen, sich recht gut geschlagen habenden von Elsa Werburg-Mosbach und der
kraftvollen, klaren, wunderschönen Valeria Modrianows.
Die spät, aber doch noch gekommen war. Die zwar ein wenig
humpelte, ihre Freunde von der Company aber nicht im Stich gelassen hatte. Und
die irrsinnig glücklich war, wieder zu Hause zu sein.
Die meisten Zuschauer hatten wohl aus den Medien oder über
Mundpropaganda Valerias Schicksal in den vergangenen Tagen mitbekommen und
waren jetzt natürlich begeistert. Und so wurde die historische Szene, in der
erstmals während der langen Geschichte dieser Operette zwei Prinzen
gleichzeitig auf der Bühne gestanden waren, gut zehn Minuten lang akklamiert.
*
Professor Bachmayr-Wiesloch kannte die
Fledermaus
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