Pasta Mortale
Auf der Wiese, auf der man einen
stilisierten Ballsaal angedeutet hatte, und in den anschließenden Teilen des
Parks herrschte reges Treiben.
Um die ganze Angelegenheit für Palinski etwas
spannender zu machen, hatten sich die beiden Frauen Masken vor die Augen
gebunden. Sie fanden es auch lustig, dass der Kammerdiener Ivan alias Mario
schon einige Male an ihnen vorbeigestolpert war, ohne auch nur das geringste Zeichen
des Erkennens an den Tag zu legen. Allerdings hatte er dabei immer wieder neue
Gäste ankündigen müssen. Nicht nur den Marquis Renard und den Chevalier
Chagran.
Plötzlich glaubte Wilma, ihren Augen nicht trauen zu können.
Da rannte ja tatsächlich auch der seltsame Kerl von heute Mittag im Frack
herum. Der, der allem Anschein nach etwas mit der Explosion in dieser Vinothek
zu tun gehabt haben musste. Das würde die Polizei sicher interessieren. Wilma
blickte sich um, konnte aber niemanden sehen, an den sie sich mit ihrem Wissen
hätte wenden können.
Sie gab den Harbachs zu verstehen, hier auf sie zu warten,
und entfernte sich Richtung Villa, wo sie Franka Wallner vorhin stehen gesehen
hatte. Und tatsächlich, die Gute war noch immer da, ins Gespräch mit einem
Kollegen vertieft.
»Ich hoffe, ich störe nicht«, entschuldigte sich Wilma, »aber
ich muss dir etwas Wichtiges mitteilen. Es hat etwas mit diesen Anschlägen der
letzten Tage auf die Gastronomie zu tun.«
»Das trifft sich gut«, entgegnete Franka und stellte den
neben ihr stehenden Mann vor: »Inspektor Heidenreich von der Soko ›Gastrokill‹.
Das ist ganz genau der zuständige Mann.«
Während Eisenstein als Marquis Renard und Gefängnisdirektor
Frank als Chevalier Chagran auf der Bühne auf urkomische Weise ein Gespräch in
einer Sprache führten, die sie beide nicht beherrschten, nämlich in
Französisch, berichtete Wilma knapp und präzise von ihren Beobachtungen.
»Und Sie sind sicher, dass es sich um diesen kleineren Herrn
im Frack handelt, der dauernd in der Szene herumlungert?«, vergewisserte sich
Heidenreich. »Das ist gut, das ist sogar sehr gut«, meinte er dann. »Denn wir
haben diesen Mann ebenfalls unter dringendem Verdacht, der gesuchte
›Gastrokiller‹ zu sein. Oder zumindest eine Menge über ihn zu wissen.« Er blickte
sich um, winkte einen seiner Mitarbeiter zu sich und gab ihm eine Anweisung.
Dann wandte er sich wieder den beiden Frauen zu. »So, Kollege Wagner wird
diesen, äh, Hummel, nicht aus den Augen lassen. Und nach Beendigung der
Vorstellung«, er deutete das Anlegen von Handschellen an und lächelte dazu.
»Der kann uns jetzt nicht mehr entkommen.« Dann schüttelte er ungläubig den
Kopf. »Und er hat tatsächlich so gemacht?«, vergewisserte er sich nochmals bei
Wilma und machte diese ›Jjjja, das war’s‹-Geste, von der sie ihm vorhin
berichtet hatte.
Sie nickte nur und er schüttelte wieder den Kopf. »Irgendwie
spaßig.«
*
Natürlich waren auch die vier bereits bestens
bekannten Repräsentanten der globalisierten Schlechtigkeit anwesend, fieberten
sie doch ungeduldig der für den zweiten Akt zugesagten öffentlichen Vernichtung
des kleinen schwarzen Notizbüchleins entgegen. Kein Wunder, hatte doch jeder
von ihnen die vereinbarten 30.000 Dollar dafür bereits hinterlegt. Dafür würden
sie dann von Juri, der die Vorgänge fleißig auf Video bannte, jeder eine Kopie
bekommen.
Abgesehen davon waren die vier aber auch absolut begeistert
von der Aufführung. Sie schwärmten von der Flexibilität und Souveränität
Bajazzos, auch in untergeordneten Rollen so dominant mitzuwirken. Der Mann aus
Shanghai hatte sich spontan in Miyu Kracherl verliebt und eine Depression
aufgerissen, als er erfahren musste, dass diese wunderschöne Frau bereits an
einen Herrn Kracherl vergeben war. Nur mit Mühe und unter deutlichem Hinweis
auf die krassen kulturellen Unterschiede konnte Wong Fu Tse von Juri daran
gehindert werden, mit Karl Heinz Kracherl in ernsthafte Ablöseverhandlungen zu
treten.
Colonel Rayn wieder fand das alles lovely und absolutely
marvellous und kündigte an, bei nächster Gelegenheit mit seiner Emily wieder
nach Wien kommen zu wollen.
Monsignore Vanderkücken wieder zeigte sich tief beeindruckt
von Franz Barweger, dem 23-jährigen Studenten am Konservatorium und Dirigenten
des kleinen, aber unermüdlichen Fledermaus-Orchesters. Angeblich soll er
gegenüber Gregorij Mintzeff, der das wieder Juri Malatschew streng
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