Pasta Mortale
vertraulich
anvertraute, eingestanden haben, dass er bisher gar nicht an Liebe auf den
ersten Blick geglaubt hatte.
Den größten
Coup schien allerdings Mintzeff, der Schwager eines stellvertretenden Ministers
ohne Portefeuille zu landen. Der auf eine animalisch-brutale Art beeindruckende
Georgier sperenzelte bereits von Beginn des zweiten Aktes an heftig mit dem
Prinzen, also mit Elsa Werburg-Mosbach. Die wiederum war, dank dieser unerwarteten
Stimulanz, bisher zu einer relativen Höchstleistung aufgelaufen. Und dankte dem
unbekannten Bild von einem Mann mit Blicken, die keine Zweifel hinsichtlich
Bereitschaft und Zustimmung offenließen. Das würde heute noch ein langes,
heißes Dacapo geben.
Aber wie hieß es so treffend: zuerst die Arbeit, dann das
Vergnügen. Und so warteten die vier geduldig darauf, dass das kleine schwarze
Büchlein ein für alle Mal von dieser Welt verschwand.
*
Und dann war der erste Höhepunkt des Festes
erreicht. Die Einlagen der Gäste am Fest des Prinzen Orlofsky.
In den traditionellen Silvester-Aufführungen der
Fledermaus war es früher üblich gewesen, im zweiten Akt gerade in Wien
anwesende Sängerinnen und Sänger zu einem Gastauftritt einzuladen. Damals
konnte es durchaus vorkommen, dass man im Rahmen dieser Operette auch das
›Gebet der Tosca‹ oder das Auftrittslied des Barinkay aus dem Zigeunerbaron zu
hören bekam. Eine an sich sehr attraktive Sache für das Publikum, die in der
Folge aber weitgehend einem gewissen Purismus zum Opfer gefallen war.
Helmut Ondrasek war kein Purist, ganz im Gegenteil. Und so
hatte er sich ausgesprochen bemüht, einige interessante Gastauftritte als
Aufputz für die Döblinger Fledermaus aufzutreiben.
Aber das war gar nicht so einfach, wie er zunächst gedacht
hatte.
Wolf Georg Reinhard, das Austro-Pop-Urgestein, hatte
kurzfristig absagen müssen, da es Probleme mit seinem Wagen gegeben hatte und
er irgendwo auf der Strecke zwischen Graz und Wien steckte.
Wenigstens war die Maschine mit Bürgermeister Lattuga
pünktlich gelandet. Der oberste Wiener war auch schon unterwegs, das
Pferdefuhrwerk wartete bereits auf den prominenten Fahrgast. Aber es konnte
noch, na ja, sicher noch einige Minuten dauern, bis Lattuga auf die Bühne kam.
Und diese Zeit musste irgendwie überbrückt werden.
Palinski, der sich innerlich bereits als Bajazzo
aufgeplustert hatte, hatte eine Idee. Ein Freund aus alten Studientagen hatte
sich seinerzeit sehr der Kunst des Zauberns, also eigentlich des Illusionierens
verschrieben und ihm uneigennützig ein paar Tricks verraten. Und die würde er
jetzt einfach auf der Bühne zeigen und diese Gelegenheit nutzen, das Büchlein
für alle gut erkennbar zu verbrennen.
Ondrasek war zwar sichtlich skeptisch, was Palinskis
Qualitäten als Zauberer betraf, aber er hatte eigentlich keine Alternative.
Also verschwand Palinski kurz von der Bildfläche, um sich für seinen Auftritt
vorzubereiten.
*
Bachmayr-Wiesloch war höchst irritiert. Zunächst
hatte er Charlie Brown nicht erkennen können. Dann hatte er ihn endlich
identifiziert, in diesem Kostüm eines russischen Kammerdieners. Nachdem also
das Ziel geortet war, wollte er den letzten Schritt setzen und ZweiVier mit dem
Handy den posthypnotischen Tötungsbefehl erteilen. ›Jolante‹ lautete das alles
entscheidende Wort, das sich, bis auf Weiteres unauslöschlich, im Kopf seines
Exekutors eingeprägt hatte.
Allein, jetzt hatte er ZweiVier bereits dreimal angerufen,
aber der Kerl hatte das Gespräch einfach nicht entgegengenommen. Und Jolante
auf die Mailbox zu sprechen, machte wirklich keinen Sinn.
Irgendetwas lief da falsch, völlig falsch. Die einzige
Erklärung, die Bachmayr-Wiesloch hatte, war, dass ZweiVier sein Telefon
irgendwo liegen gelassen hatte. Das gefährdete allerdings den Erfolg der
geplanten Aktion. Und das wollte der Professor nicht, dazu hatte er bereits zu
viel in die aktuelle Chance investiert.
Er wusste auch schon, was er tun konnte. Er musste ZweiVier
ganz einfach den Tötungsbefehl unmittelbar und mündlich erteilen. Wie er
allerdings unauffällig an den Mann herankommen sollte, war ihm noch nicht klar.
Aber er würde auf seine Chance warten. Die würde kommen, da war er sich ganz
sicher.
*
Wenn etwas in Palinskis Leben, abgesehen von
seinen diversen Prüfungsversuchen, jemals wirklich danebengegangen war, dann
war es sein Auftritt als Magier im Rahmen dieser
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