Pastetenlust
auch wissen, dass du um diese Zeit schläfst.“ Justina Bachler
lächelte hilflos verschmitzt zu ihrem Erzeuger hoch und der ahnte, dass da noch
was nachkam.
„Willst du hereinkommen? Wir können uns einen Cappuccino
machen, mit der neuen Maschine“ lockte er sie. Tina nickte mit dem Kopf und
Palinski machte sich auf den Weg, ihr die Türen zu öffnen.
Etwas später saßen die beiden in seiner guten Stube, wie er
den zweiten Raum seiner kleinen Behausung nannte. Hier empfing er seine
seltenen Besucher und räumte nur ausnahmsweise auf. Im anderen Zimmer lebte,
arbeitete und schlief er und räumte so gut wie nie auf. Ihm ging es um Funktion
und nicht um Ordnung, Um die kümmerte er sich erst dann, wenn es gar nicht mehr
anders ging. Also erst, sobald die Unordnung die Abläufe einzuschränken begann.
Was für einen Menschen mit Palinskis Flexibilität nur einige Male im Jahr der
Fall war.
Der Cappuccino aus der neuen Maschine war wirklich
sensationell, das fand auch Tina, kam dann aber rasch auf den Punkt.
„Ich fahre morgen mit einigen Kollegen von der Uni auf
Exkursion nach Zürich, in die Redaktion der ›NZZ‹. Das ist Teil unseres
Seminars ›Qualitätsjournalismus im deutschsprachigen Raum‹. Da sich auf meinem
Konto nur mehr 80 Euro befinden, wäre es lieb von dir, mir ein bisschen was zu
pumpen.“ ›Pumpen‹ war ein beiderseits anerkanntes Synonym für Schenken und das
war in Ordnung so. Palinski überlegte kurz. Zürich war ein teures Pflaster und
seiner Tochter sollte es an nichts mangeln. Der nächste Verlagsscheck war Ende
der Woche fällig und notfalls konnte er ja auch noch seine Kreditkarte
ausreizen.
„An welchen Betrag hast du denn in etwa gedacht?“, lotete er
vorsichtig aus.
„Nun ja, vielleicht hundert“, Tinas Reaktion auf das
gespielte Zusammenzucken ihres Vaters war prompt, „aber fünfzig Euro würden
auch helfen.“ Palinski musste lächeln, der alte Trick funktionierte immer noch.
„Tut mir leid, aber mehr kann ich im Moment nicht entbehren“,
entschuldigte er sich, fuhr in die linke oberste Lade seines Schreibtisches und
entnahm die beiden grünen Scheine, die hier für Notfälle deponiert waren.
Der Lohn für die scheinbar großzügige Geste war ein
angedeutetes Bussi seiner Tochter. Tatsächlich bedeutete es Palinski
unwahrscheinlich viel, seine Familienangehörigen nach den Geldprobleme der Vergangenheit wieder einigermaßen angemessen unterstützen zu können. „Ich
wünsche dir eine wunderschöne Zeit in der Schweiz“, er lächelte sie an, „und
komm gut wieder.“
„Was ich dich schon immer fragen wollte“, Tina hatte offenbar
Zeit an diesem Nachmittag und das freute ihn, genoss er doch die seltenen
Gespräche mit der 23- j ährigen
sehr. „Was arbeitest du eigentlich, womit verdienst du Geld?“
Gute Frage, dachte sich Palinski, der einer Antwort darauf
bisher immer mehr oder weniger ausgewichen war. Dass er sein Haupteinkommen in
den vergangenen Jahren aus dem Schreiben von Groschenromanen, auch
›Schundheftln‹ genannt, bezogen hatte, war Fakt, aber nichts, worüber er
sprach. Die bereits mehr als vier Jahre andauernde Arbeit an seinem großen
Kriminalroman legitimierte ihn seiner Meinung nach zwar durchaus dazu, sich
auch als Schriftsteller zu bezeichnen. Manchmal kam er sich damit aber vor wie
ein Taxichauffeur, der sich als Formel-1-Fahrer ausgab.
„Das ist nicht ganz einfach zu erklären, ich will es aber
versuchen.“ Er stand auf und deutete ihr, ihm ins Büro zu folgen. Hier setzte
er sich an den PC und öffnete einen Ordner.
„Hier befinden sich die wesentlichen, handlungsrelevanten
Daten von mehr als 800 Kriminalromanen und etwa 250 Filmen.“ Palinski erläuterte
Tina die Systematik der Datenbank, die einzelnen Parameter und so weiter und so
fort.
„Papa, bitte keine Vorlesung“, Tina bremste seinen Eifer nur
ungern, hatte aber an diesem Tag noch etwas anderes vor. „Was für einen
praktischen Nutzen hat das Ganze?“
„Ich verfüge damit über ein riesiges Detailwissen zum Thema
Morde, echte und literarische“, stolz blickte er seine Tochter an.
„Und dafür zahlt jemand etwas, außer vielleicht bei einer
Quizsendung?“ wunderte sich seine Tochter.
„Tja, anfänglich war das nur ein Hobby. Seit sich aber die
Polizei von Zeit zu Zeit für meine Daten interessiert, melden sich auch
zahlende Interessenten.“
Miki Schneckenburger hatte eines Tages begonnen, schwierige
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