Pastetenlust
einer von Mama Marias Söhnen
neben ihm aufgebaut und erkundigte sich nach seinen Wünschen. Palinski entschied
sich für Pfirsichsaft und Aqua Minerale und gegen das Glas Chianti, nachdem ihm
eigentlich zu Mute war. Denn der Abend konnte noch lange werden.
Bereits zwanzig nach sechs und von Wallner war immer noch
nichts zu sehen. Während sich Palinski eines seiner geliebten Zigarillos
anzündete, stand die Blondine auf, zahlte und verließ das Lokal. Langsam fand
er das Verhalten des Inspektors gelinde gesagt eigenartig. Zwar war eine
Verspätung, ja sogar eine Absage eines Termins in Wallners Beruf durchaus
nichts a ußergewöhnliches. Im
Zeitalter des Handys gab es aber kaum eine plausible Begründung dafür, nicht
zumindest anzurufen. Immerhin sollten die meisten dieser technischen
Wunderdinger ja außer Fotografieren, Spielen, Parkgebühren zahlen und anderen
Finessen auch noch dazu taugen. Da musste etwas anders dahinter stecken,
wahrscheinlich eines von Wallners taktischen Manövern.
„Guten Abend, Herr Palinski“, in Gedanken versunken hatte er
gar nicht bemerkt, dass Martin Sandegger, einer von Wallners Mitarbeitern an den
Tisch gekommen war.
„Guten Abend, Herr Sandegger, wo bleibt denn bloß Ihr Chef?“
Einladend deutete er auf einen freien Stuhl, doch der Kriminalbeamte blieb
stehen.
„Inspektor Wallner ist aufgehalten worden. Er bittet Sie
aber, um halb sieben zum Eingang Stiege 3 zu kommen“, er deutete zur anderen
Straßenseite.
Palinski blickte auf die Uhr, noch fünf Minuten Zeit. Er
genoss noch zwei, drei Züge von der würzigen Sumatra, dann legte er einige
Münzen auf den Tisch, winkte Mama Maria zu und verließ seine Lieblingskantine.
Beim Betreten des Innenhofs erwartete ihn so etwas wie ein d éjà-vu Erlebnis. Obwohl es im
Gegensatz zur vergangenen Nacht hell war, rief ihm das sich bietende Bild
unweigerlich die Situation beim nächtlichen Überqueren des Hofes in Erinnerung.
Da saß eine blonde Frau in dunkler Bekleidung in Umarmung mit einem Mann. Das
war es also, was Wallner mit ihm vorgehabt hatte. Eine doppelt gemoppelte
Identifikation. Zunächst bei ›Mama Maria‹ und jetzt am Fundort der Leiche.
Palinski näherte sich dem Paar. Einen Moment lang hatte er
den Eindruck, als ob sich die beiden tatsächlich küssten. Das musste aber eine
Täuschung gewesen sein. Auf so etwas würde sich zwar der lebenslustige Wallner,
nie aber der pflichtbewusste Kriminalinspekor einlassen.
Er bückte sich zu dem Paar hinunter. „Ihr könnt jetzt
aufhören, ich habe genug gesehen.“ Langsam nahm die Frau ihre Wange von der Wallners und richtete sich auf.
„Marion Waldmeister“, stellte sie sich vor. „Leider ist Ihr
Freund schwer davon zu überzeugen, dass ich mit dem Tod von Jürgen nichts zu
tun habe. Ich hoffe, Sie können seine Zweifel jetzt zerstreuen.“
„Ich bin Palinski“, er deutete eine Verbeugung an, „und ich
fürchte, dafür wird es nicht ganz reichen. Ich glaube zwar nicht, dass Sie die
Frau von heute Nacht sind. Gefühlsmäßig würde ich sagen, sie war etwas größer,
grobknochiger. Aber das ist zu vage, um Sie als Verdächtige ganz
auszuschließen. Ich war reichlich verschlafen und habe nur einen kurzen Blick
auf das Paar getan.“ Er hob bedauernd die Schultern. „Tut mir leid.“
Wallner erhob sich. „Nun, einen Versuch war es wert.“ Er zog
ein Paar Schlüssel aus der Hosentasche und hielt sie in die Höhe.
„Dann auf zu neuen Ufern“, tönte er melodramatisch, „schaun
wir uns das Appartement im 4. Stock an.“
*
Ministerialrat Dr. Michael Schneckenburger, der
Stellvertreter der Vertreterin des Ministers in der Sonderkommission ›Giftiges
Müsli‹, Gott und sein Chef alleine wussten, warum Sokos immer so idiotische
Namen bekamen, starrte erschüttert auf die eben eingetroffene Meldung.
Die Erpressung der BIGENI-Handelskette hatte mit zwei Toten
eine neue Dimension erreicht. Nach den vorliegenden Ergebnissen der
gerichtsmedizinischen und kriminaltechnischen Untersuchungen in Salzburg waren
die beiden bedauernswerten Opfer, eine 72-Jährige Pensionistin und eine
29-Jährige Betriebswirtin nach dem Genuss von mit Digitalis versetztem
Krokantgebäck verstorben. Beide Packungen dieses beliebten Snacks waren
nachweisbar in einem BIGENI-Markt in Mondsee gekauft worden.
Dass es sich bei der jüngeren der beiden Frauen um eine
bekannte Sportlerin handelte, würde der traurigen Angelegenheit
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