Pastetenlust
zusätzliche
Brisanz in den Medien verschaffen.
Schneckenburger blickte auf die riesige an der Wand hängende
Generalkarte, die mit bunten Fähnchen übersät war. In der Mehrzahl rote für
Märkte, die das Unternehmen direkt betrieb und blaue für die Franchisenehmer.
Also jene, die zwar von BIGENI beliefert, aber von selbständigen Kaufleuten
geführt wurden. Die Märkte, in denen bisher vergiftete Produkte festgestellt
worden waren, waren zusätzlich mit einem grünen Punkt versehen. Bisher mussten
diese grünen Markierungen ausschließlich bei Märkten mit roten Fähnchen
angebracht werden, jetzt erstmals auch bei einem mit einem blauen.
Schneckenburger wusste nicht, ob und was das zu bedeuten hatte. Er wusste aber
aus Erfahrung, dass hinter jeder Abweichung vom Muster ein Meilenstein auf dem
Weg zur Lösung des Falles stecken konnte. Aber noch war es nicht so weit.
*
Die Luft in
der Wohnung roch abgestanden, rauchig und säuerlich nach einer Mischung aus
altem Schweiß und Alkohol. Erstaunlicherweise waren sämtliche Aschenbecher leer
und bis auf einen e inzigen auch
erkennbar unbenutzt. Aschenreste im WC deuteten darauf hin, dass die Spuren des
unzweifelhaft stattgefundenen Zigarettenkonsums hinunter gespült worden waren.
Die Küche war erstaunlich sauber, wirkte unbenützt. Der
riesige Kühlschrank war bis auf eine halbvolle Flasche ›Evian‹ und einen
kleinen Behälter mit Eiswürfeln leer. Lediglich eine Zeitung vom Vortag sowie
das darauf liegende, sauber zusammengefaltete Plastik-Einkaufssackerl eines
namhaften Feinkostfachgeschäftes deuteten darauf hin, dass sich gestern jemand
in diesem Raum befunden haben musste.
Im großzügig dimensionierten Wohnzimmer mit dem riesigen in das
Dach eingelassene Fenster, Räume dieser Art wurden früher Atelier und heute
auch Studio genannt, erinnerte sich Palinski, gammelten Essensreste neben zwei
halbleeren Proseccogläsern vor sich hin. Ein wunderbarer Blick über die langsam
von der abendlichen Dämmerung erfassten Dächer Wiens entschädigte einigermaßen
für den leicht fauligen Geruch.
Im Gegensatz dazu erwies sich das Schlafzimmer als absolut
minimalistisch. Das riesige Bett, Palinski schätzte seine Ausmaße mindestens
auf 2,20 x 2,50 Meter, nahm fast die Hälfte des eher als Kämmerchen zu
bezeichnenden Raumes ein. Immerhin aber ein strenges Kämmerchen, fand Palinski,
denn die Utensilien auf dem kleinen Tisch in der Ecke sowie die vier noch immer
mit den Bettpfosten verbundenen Seidenschals ließen auf eine mächtige Domina
schließen. Die Flecken auf dem zerknüllten Leintuch ließen keinen Zweifel
offen, dass Lettenberg, so er der leidenswillige Part gewesen sein sollte, voll
auf seine Kosten gekommen war.
„Ich denke, hier sind wir richtig“, stellte Wallner fest,
worauf sowohl Marion Waldmeister als auch Palinski trotz der widrigen Umstände
kichern mussten. Nur Sandegger blieb ernst, aber der ging vermutlich zum Lachen
immer in den Keller.
„Sie wissen schon, wie ich das meine“, mit dem Inspektor
geschah genau das, was er in dem Moment befürchtete. Das Blut schoss ihm in den
Kopf, der sich sofort knallrot färbte. Dank der zunehmenden Dämmerung, unter
angenehmeren Umständen hätte man jetzt von heure bleu gesprochen, fiel das aber
nicht weiter auf.
Die drei gingen zurück ins Wohnzimmer und nahmen Platz.
Wallner holte sein Handy aus der Tasche und bestellte die Spurensicherung.
„Kollege Sandegger wird
Sie jetzt in Ihr Hotel bringen, Frau Waldmeister“, wollte er die Frau
verabschieden. Doch die dachte nicht daran, so ohne Weiteres zu
gehen .
„Stehe ich jetzt noch immer unter Verdacht?“, wollte sie
wissen und Palinski hatte Verständnis für die Frage, auch wenn er Wallners
Antwort darauf zu kennen glaubte.
„Freundlich ausgedrückt würde ich sagen, dass sich Ihre Situation
durch die letzten Entwicklungen zumindest nicht verbessert hat.“ Wallners
Antwort fiel schroffer aus als beabsichtigt, er musste endlich aus der
selbstgelegten Sympathiefalle herauskommen, die Marion vorhin durch einen
zarten Kuss auf seine Nasenspitze noch weiter geöffnet hatte.
„Eigentlich müsste ich Sie vorläufig festnehmen. Wenn Sie mir
aber versprechen, dass Sie im Hotel bleiben, würde ich vorläufig noch darauf
verzichten.“
„Aber Herr Palinski hat mich doch entlastet?“, protestierte
die sichtlich schockierte Frau.
„Er hat Sie nicht belastet, aber auch nicht
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