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Pastetenlust

Pastetenlust

Titel: Pastetenlust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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nicht wohl bei dem Gedanken, war aber selbst schuld an dieser Ambivalenz.
Immerhin war er selbst wieder einmal freudig in die weit offene Sympathiefalle
gegangen.
    „Ich muss Sie das jetzt
fragen“, baute Wallner vor. „Wo sind Sie vergangene Nacht zwischen”, er zögerte
ein wenig, „sagen wir zwischen 23 und 4 Uhr gewesen?“
    Marion überlegte kurz.
„Nach Beendigung der Viktor-Verleihung haben Jürgen und ich mit einigen Leuten
von der Veranstaltung noch eine Kleinigkeit gegessen. In einer Kneipe in
der Nähe des Studios. Dann wollte Jürgen noch in eine Bar gehen und die anderen
haben sich angeschlossen. Ich habe keine Lust mehr dazu gehabt und bin
losgefahren. Habe versucht, zum Hotel zu finden, aber ich kenne mich in Wien
nicht aus. Mein Orientierungssinn hat mich dann völlig im Stich gelassen.
Offenbar bin ich aus der Stadt hinaus statt hinein gefahren, denn plötzlich war
ich mitten im Wald. Ich bin dann auf einem Parkplatz mit herrlichem Blick über
die Stadt gelandet und muss eingeschlafen sein. Ins Hotel bin ich erst kurz
nach 5 Uhr zurückgekommen.“ Zweifelnd blickte sie den Inspektor an. „Sieht
nicht gerade gut aus für mich, oder?“
      „Das bedeutet noch gar
nichts“, beruhigte Wallner die Frau, „aber es macht die Sache auch nicht
leichter. Ein hieb- und stichfestes Alibi wäre mir für Sie lieber gewesen. Darf
ich Sie bitten, die nächsten Tage Wien nicht zu verlassen.“
    Marion Waldmeister nickte resigniert bis gottergeben. „Kann
ich mich in Wien frei bewegen?“
    „Natürlich, solange Sie im Hotel Nachricht lassen, wo wir Sie
erreichen können.“
    „Soll ich mir vorsorglich schon einen Anwalt besorgen?“,
trotz ihres Schocks hatte die Frau den Überblick nicht verloren. Diese
Erkenntnis freute Wallner irgendwie.
    „Beim derzeitigen Stand noch nicht. Falls sich aber
herausstellt, dass Lettenberg eines unnatürlichen Todes gestorben ist, dann
müssen wir Sie zwangsläufig als verdächtig einstufen. Also schaden würde es
nicht, zumindest einmal vorzufühlen.“
    Wallner legte das Geld für den Kaffee auf den Tisch.
    „Bringen Sie Frau Waldmeister schon einmal zum Auto, ich
komme sofort nach“, wies er seinen Mitarbeiter an. Dann entfernte er sich in
die Richtung, wo er die Toiletten vermutete. Sobald Marion Waldmeister und der
Kollege die voluminöse Drehtüre passiert und die Straße betreten hatten, machte
Wallner wieder kehrt und steuerte die Rezeption an.
    „Liegt Frau Waldmeisters Pass noch hier“, wollte er vom
freundlichen Concierge wissen. Der nickte nur kurz und händigte dem Inspektor
das Dokument widerspruchslos aus. Die Einbehaltung des Passes war heutzutage
natürlich auch keine Garantie mehr dafür, dass sich eine verdächtige Person
nicht absetzte. Die Bedeutung des Vorganges lag mehr in ihrer symbolischen
Bedeutung, der psychologischen Wirkung. Wallner war einerseits froh, der
Vorschrift relativ elegant und ohne direkte Konfrontation entsprochen zu haben.
Andererseits genierte er sich aber auch seiner Feigheit.

     
    *

     
    Palinski schlief. Tief und fest, wie das
angeblich nur Gerechte tun. Oder Menschen, die vergangene Nacht nur zwei
Stunden Ruhe und noch vor dem Frühstück einen berühmten Filmstar, Gewinner
eines begehrten Publikumspreises tot vor ihrem Fenster gefunden haben.
    Der Hof mit eben jener Bank lag inzwischen völlig im
Schatten. Kein Wunder, ging es doch bereits auf vier Uhr nachmittags zu. Eine
auffallend hübsche, junge Frau, vom Typ her eine Mischung aus Jennifer Aniston
und Jane Fonda mit einem kräftigen Schuss Wilma Bachler blieb vor dem mit
Stiege 4 gekennzeichneten Haustor stehen und drückte eine Klingel.
    Da die vereinbarte
Klingelfolge Kurz-Lang-Kurz keine Folgen zeigte, wiederholte sie den Vorgang
noch einmal. Dann ging sie zwei Meter nach links, baute sich vor dem halb
geöffneten Fenster im Erdgeschoss auf und brüllte los:
    „Papa, Papa, bist du da.“
    Diese unmittelbare, lautstarke Intervention war nicht mehr zu
ignorieren. Völlig verschlafen taumelte Palinski aus dem Bett hoch, schob
seinen Kopf durch die beiden Hälften des
dichtgeschlossenen Vorhangs und warf einen Blick aus dem Fenster.
    „Tina, warum brüllst du
immer so?“ Palinski liebte seine Tochter, auch wenn sie so laut war. Noch mehr
liebte er sie aber, wenn sie sich ihm in gemäßigterer Lautstärke näherte. „Hast
du wieder deinen Schlüssel vergessen?“
    „Tut mir leid, Papa, aber
wer kann denn

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