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Patentöchter

Patentöchter

Titel: Patentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Albrecht & Corinna Ponto
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war es möglich, den IM in eine hohe politische Funktion in unserem Auftrag hineinzubringen.« Schon aus dem Terrorjahr 1977 findet man folgende Stasinotiz: »Durch eine zuverlässige Quelle gelangte zur Kenntnis, dass gegnerische Sicherheitsdienste Brigitte Heinrich im Zusammenhang mit den Fahndungsmaßnahmen gegen die Schleyer-Attentäter unter verstärkter Beobachtung halten. Daran beteiligt sind das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen wie die Spionageabwehr des LfV.« ( BS t U , HA XXII 278/89) 1982 rät sie einer aus der Haft entlassenen Terroristin, welche »in den Libanon [gehen] und dort mit den Palästinensern kämpfen will, davon ab. Es wäre wichtiger, den antiimperialistischen Kampf hier in der BRD und Westeuropa zu führen.« ( BS t U , HA XXII 15968/85)
    Immer wieder findet man für dieselben Terroristen Such-Karteikarten aus unterschiedlichen Jahren, für S. etwa aus den Jahren 1981, 1982 und 1985, obgleich sie zu dieser Zeit doch schon längst in der DDR untergetaucht und der Stasi ihr Aufenthaltsort wohlbekannt war.
    Elektrisierend der Satz in einer MfS-Kurzauskunft vom 15. August 1978: »Der Einsatz der S.   A. erfolgte 1977 bei dem Attentat auf Ponto, Jürgen, da sie früher Verbindungen zur Familie Ponto unterhielt und die Regimeverhältnisse im Hause Ponto kannte.« ( BS t U , HA XXII 7318492)
    Dem sonderbaren Wort »Regimeverhältnisse« begegnet man häufig in Beurteilungen von Führungskadern des MfS. Dort heißt es zum Beispiel: »Der tschekistische Einsatzkader verfügte über gute Kenntnisse der Regimeverhältnisse im Operationsgebiet.« (MfS Ha XXII 19540) Den Begriff »Einsatz« habe ich in den weit über tausend Seiten von Ost-Papieren, die ich studiert habe, hingegen nur dieses eine Mal gefunden. In all dem Aktendeutsch blinkt plötzlich ein deutliches Wort auf.
    Das erste Mal ist S. schon am 1. Februar 1979 auf einer Such-Karteikarte und auf einem »Erfassungsbeleg« vermerkt. Eine erste Einreisenotiz in die DDR gibt es sogar schon vom 4. Juni 1972.
    Parallel zu den Suchkarteien, die wohl eher »Versteckkarteien« waren, wurde ein »Sicherungsvorgang« angelegt. Sicherungsvorgänge legte die Stasi über Personen an, »an denen ein operatives Interesse besteht, die aber noch nicht aktiv bearbeitet werden«. Auf dem Index dieser von 1979 bis 1989 geführten Sicherungsliste stehen über 600 – von der Birthler-Behörde – geschwärzte und 170 ungeschwärzte Namen. In einem Kurzbericht aus dem »Vorgang Stern« vom Herbst 1978 steht: »Bei bisher 35, zum Teil führenden Mitgliedern anarchistisch-terroristischer Gruppierungen im Operationsgebiet sind aktuelle oder frühere Verbindungen in die DDR nachweisbar und von operativer Bedeutsamkeit bzw. Interesse.« Sowohl die große Zahl der Erfassungsberichte, auch schon aus den frühen Siebzigerjahren, als auch die »Legendierungen«, die Lebensläufe, die Auflistungen über Transitreisen, die gefälschten Passregistrierungen, die Erkenntnisse zu Fahndungsmaßnahmen des BKA und die Berichte aus den westdeutschen Haftanstalten sind von den mir inzwischen gespenstisch vertrauten Verbindungsleuten unterzeichnet.
    In einem langen Auskunftsbericht über den 1986 ermordeten Physiker Karl-Heinz Beckurts findet sich eine ganze Seite über die Hobbys und persönlichen Kontakte seines Fahrers G. Dieses Papier hat mich besonders bewegt. Wasfür eine umfassende und ausgeklügelte »Recherche« steht hinter diesen Berichten! Die Namen der Täter, die der dritten Terrorgeneration zugerechnet werden, finden sich ebenfalls mühelos in den Erfassungsberichten mit den Unterschriften von Zaumseil, Petzold, Kind … Als Graffiti sehe ich sie als Hauptzeugen dieser Zeit auf die Schweigemauern gesprayt.
    Auch finden wir in diesen Suchkarteien des MfS erstaunlich viele Namen vermutlicher Terroristen, von denen wir in der Mehrzahl noch nie gehört haben. Viele von ihnen werden gleichzeitig von Interpol gesucht. Ostberlin hat die Interpol-Fahndungen und BKA – Papiere in den jeweiligen Terroristenakten sorgsam abgeheftet. Sie dokumentieren einen außerordentlich guten Informationsstand. Diesen Film möchte ich sehen: den Weg dieser Informationen aus den Westbehörden in den Aktenschrank in Ostberlin. Er war kurz.
    Schon am Nachmittag des Mordes an Generalbundesanwalt Siegfried Buback liegt der genaue Bericht über den Attentatsverlauf auf dem Schreibtisch von MfS-Generaloberst Beater. Absender laut Briefkopf: »Ministerrat der deutschen demokratischen Republik,

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