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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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leid.«
    Welches leise Stimmchen hatte sich wohl in ihrem Gewissen gemeldet, überlegte Anselm und pflückte einen Apfel. Und aus welchem Grund? Jeder Anwalt akzeptierte, dass es in der Rechtsprechung um Gewinnen oder Verlieren ging. Wenn man verlor, schluckte man seine Enttäuschung; wenn man gewann, erntete man ein Schulterklopfen. Elizabeth hatte gesagt, »was wirklich passiert ist« entschieden die Geschworenen. Und wenn sie einen Unschuldigen verurteilten? Dann würde er im Gefängnis schmoren, sofern sich nicht ein Verfahrensfehler oder neue Beweise finden ließen. Und wenn ein Schuldiger freigesprochen würde? Dann könnte niemand ihn erneut vor Gericht stellen. Er konnte den Spruch herunterleiern: Nemo debet bis vexari (oder, wie die Kirchenväter sagten, »Gott richtet nicht zwei Mal über dasselbe Vergehen«). In beiden Fällen machte sich die Wahrheit davon wie die Taube von der Arche Noah.
    Anselm war überzeugt, dass Elizabeth’ Krise mit diesem System zu tun hatte, das vor über tausend Jahren entwickelt wurde, um mit den Folgen menschlicher Schwächen und Bosheiten umzugehen. Er hatte allerdings nicht die leiseste Ahnung, was es damit zu tun hatte, ihr Leben zu ordnen.
    Nachdem er seine Zigarette aufgeraucht hatte, wandte er sich dem Apfel zu. Durch die unsachgemäße Anwendung biologischer Anbaumethoden wies das Obst von Kloster Larkwood meist Schönheitsfehler auf. Er musterte ein Wurmloch und verspürte eine leise Sehnsucht nach dem früheren Gerangel auf den Korridoren des Old Bailey.
    In einem scheinbar irrelevanten Gedankenblitz fiel Anselm ein, dass er nur einen einzigen Fall gemeinsam mit Elizabeth bearbeitet hatte. In mancherlei Hinsicht war dieser Prozess ein Sinnbild für das heikle Verhältnis zwischen Recht und Wahrheit. Strafrechtlich ging es dabei um nichts Besonderes. Aber der Mandant war grässlich … Riley hatte er geheißen. Sie hatte ihn ein »verdorbenes Werkzeug« genannt. Nach und nach materialisierte sich ein Bild in Anselms Gedächtnis: ein kahl rasierter Kopf, kleine Ohren und tief liegende, verletzte Augen.

6
    NICK GING INS Grüne Zimmer und rief bei BJM Securities an. Während er wartete, musterte er eine aufgeschlagene Prozessakte auf dem Schreibtisch. Ein Mann war in Bristol ermordet worden. »Die Schädeldecke besteht aus acht Knochen, die das Hirn umgeben und schützen.« Autopsiefotos reduzierten den Toten auf ein fingerdickes Bündel von Nahaufnahmen.
    Am anderen Ende meldete sich eine Mrs. Tippins. Nick erklärte ihr, dass seine Mutter verstorben sei und er die Sachen abholen wolle, die sie bei ihnen deponiert habe. Sie listete ihm auf, welche Dokumente für den Zugang zum Schließfach erforderlich seien.
    »Ohne gerichtlichen Erbschein können Sie den Inhalt lediglich einsehen«, sagte sie.
    »Gut«, antwortete er. »Wo finde ich Sie?«
    »In Sudbury«. Sie nannte ihm die Adresse in Suffolk. Nach einer Pause fügte sie hinzu: »Zuerst dachte ich. Sie wären der Mönch.«
    »Mönch?«
    »Ja. Der Inhaber des anderen Schlüssels.«
    Nick erfragte telefonisch die Zugverbindungen und schrieb seinem Vater einen Zettel, dass er erst spät nach Hause kommen werde. Als er vom Schreibtisch aufstand, warf er noch einen Blick auf die rot-blauen Fotos. Seine Mutter hatte ihn oft nach dem Bauplan des menschlichen Körpers ausgefragt, wie er zusammengesetzt war, was passierte, wenn man einem Organ oder Gewebe dieses oder jenes zufügte. Der Körper war trotz der Knochen ein unglaublich zerbrechliches Gebilde, eine verblüffende, wunderbare Ganzheit.
    »Das Design ist perfekt«, hatte er ihr einmal erklärt.
    »Nicht ganz.« Sie hatte enttäuscht geklungen.
    Elizabeth hatte auf diesem Schreibtischstuhl im menschlichen Körper nur ein Beweisstück gesehen, das nummeriert und zusammengeflickt war. Ihr Staunen hatte sie Glühwürmchen vorbehalten.
     
    Nick wartete in einem kleinen, fensterlosen Zimmer. Ein Tisch und ein Stuhl waren die einzigen Möbel. Die Tür öffnete sich, und Mrs. Tippins kam mit einer großen Aluminiumkassette auf Rädern herein. »Die Leute bringen Sachen her, wenn bei ihnen zu Hause alles voll ist«, sagte sie. Ihr Rock sah aus wie aus einer ausrangierten Hoteltischdecke gemacht und ihre Bluse wie aus Gardinenstoff. »Es ist schwer, etwas wegzuwerfen, nicht wahr? Sie können so lange bleiben, wie Sie möchten. Hier ist eine Zugangsliste für das Schließfach.«
    Er warf einen Blick auf die einzige Eintragung, die etwa drei Wochen alt war.
    Als Nick wieder

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