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Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten

Titel: Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Brodrick
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empfohlen, ohne es zu wissen. Zumindest fühlte sie sich davon angesprochen.«
    Anselm hatte gesagt, der Prior nehme einem die Illusionen … er konnte sich nicht erinnern, mehr gesagt zu haben.
    »Sie machte einen Termin und kam den ganzen Weg von London her. Aber sie konnte nicht sprechen. Wir schauten uns nur an. Und während ich sie betrachtete, kam etwas zutage … Wut, Hilflosigkeit … schließlich sagte sie: ›Wie lässt sich Böses aus der Welt schaffen?‹« Der Prior kratzte sich am Kopf. »In der folgenden Stunde erkundeten wir dieses Feld, ohne je konkret zu werden. Aber trotzdem sprach ich mit einer Getriebenen.«
    Anselm erinnerte sich an seine eigenen Gespräche mit Elizabeth an jenen dunklen Freitagabenden: Sie hatte sich geistig unermüdlich gezeigt und sämtliche Implikationen in allen Nuancen ausgelotet. Als sie nach Finsbury Park gekommen war, hatte sie von einer Stimme gesprochen, die sich nicht zum Schweigen bringen ließ, und Anselm hatte gesagt, man brauche Anleitung, um die Wege des Herzens zu verstehen …
    »Jahre später bat sie mich wieder um eine Unterredung«, erzählte Pater Andrew weiter, den Blick ins Feuer gerichtet.
    »Sie wollte nicht, dass du etwas von ihrem Besuch erfährst, deshalb trafen wir uns, als du nicht da warst. In mancherlei Hinsicht verlief diese Begegnung genau wie die erste, nur war anstelle von Wut und Hilflosigkeit nun Verzweiflung getreten. Wie beim ersten Mal redete sie nicht. Also stellte ich ihr eine Frage: ›Warum sind Sie unglücklich?‹ Sie hauchte fast: ›Ich bin in einen Mord verwickelt.‹ Dann schien sie wegzugleiten, nur ihr Körper blieb da. Ich sagte: ›Ich glaube, Sie brauchen einen Anwalt, keinen Mönch.‹ Sie antwortete: ›Das Gesetz hat nichts gegen mich in der Hand. Es ist mein …‹«
    »Gewissen«, warf Anselm ein. Der Prior nickte.
    Kierkegaard hatte es eine »Herzensangelegenheit« genannt. Anselms Herz rebellierte. Er war in der gleichen Lage gewesen wie Elizabeth: Sie beide hatten schon früher Schuldige verteidigt. Und falls Riley mit dem Tod John Bradshaws etwas zu tun haben sollte, konnte das Gewissen weder Elizabeth noch Anselm dafür verantwortlich machen. Es gab keinen Zusammenhang zwischen irgendetwas, was sie getan hatten, und diesem Ausgang. Wie war also aus Unbehagen Seelenqual erwachsen? Automatisch ging Anselm davon aus, dass dieser zweite Besuch in Larkwood stattgefunden haben musste, kurz nachdem Elizabeth den Brief von Mrs. Bradshaw bekommen hatte.
    »Wir saßen schweigend da«, erzählte der Prior mit versonnenem Blick ins Feuer. »Allmählich kam sie zurück, und wir sprachen über ihre Arbeit – über Rache und gerechte Strafe, Schaden und Wiedergutmachung, Richter und Geschworene: Diese Ideen und ihre Zusammenhänge beschäftigten sie offenbar sehr, und sie siebte sie durch, als ob sie ein Puzzle machte, dessen Bild sie unbedingt fertigstellen … und vor den Blicken anderer verbergen müsse.«
    Der Prior beugte sich vor und legte ein Holzscheit nach. Rötlich glühende Aschepartikel sprühten auf und wurden schlagartig grau.
    »Zum letzten Mal habe ich sie vor einem Monat gesehen. Sie wollte mit dir sprechen, aber erst, nachdem sie mit mir gesprochen hatte – was allerdings vertraulich bleiben sollte. Sie war weder wütend noch hilflos oder verzweifelt. Ich fand sie gefasst, man könnte sogar sagen, im Frieden mit sich.« Er nahm seine Brille ab und spielte mit der Büroklammer. »Um noch einmal auf den Vergleich mit dem Puzzle zurückzukommen, würde ich sagen, das Sammeln der Teile war abgeschlossen. Sie sagte: ›Ich habe viel über unsere früheren Gespräche nachgedacht und daraufhin mein Leben geordnet.‹ Ich wartete und dachte, sie würde mir erzählen, worum es eigentlich ging, aber es kam nichts. Also sagte ich: ›Falls ich Ihnen in Zukunft noch einmal behilflich sein kann, zögern Sie nicht, sich an mich zu wenden.‹ Lächelnd erklärte sie: ›Eigentlich möchte ich Sie um einen kleinen Gefallen bitten.‹ Und in diesem merkwürdigen Moment fühlte ich mich wie der erste Dominostein einer ganzen Reihe.« Der Prior setzte seine Brille wieder auf und schaute Anselm an, als wolle er den nächsten Stein der Reihe auffordern, von seinem Fall zu berichten.
    Anselm sagte: »Sie wollte wissen, ob es mir erlaubt wäre, etwas für sie zu erledigen.«
    »Ja«, bestätigte der Prior. »Und ich habe eingewilligt.«
    »Dann sagte sie: ›Darf ich ihm einen Schlüssel geben, von dem er im Fall meines Todes

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