Pater Anselm Bd. 2 - Die Gärten der Toten
befragte ihn ziemlich ausführlich nach den Gründen, und die Anklage brach in sich zusammen.«
»Wieso?«
»Er ging einfach aus dem Gerichtssaal.«
»Weil Sie ihn nach seinem Namen fragten?«
Pater Anselm rückte seine Brille zurecht. »Wie es aussah, weigerte er sich, die Verantwortung für seine Vergangenheit zu übernehmen . Davids Vergangenheit, wenn Sie so wollen.«
»Was steckte dahinter?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wieso haben Sie dann danach gefragt?«
»Mir fiel nichts Besseres ein.« Als habe er einen ungewollten Preis gewonnen, fügte er hinzu: »Das nennt man eine Glanzleistung.«
Pater Anselm richtete seine Aufmerksamkeit auf die bedächtige Arbeit seines Mitbruders. Im Kräutergarten war es ungewöhnlich ruhig. Die Stille unterstrich jedes Wort, als ob die Landschaft und ihre unzähligen Pflanzen zuhörten.
Nick ließ den Koffer auf dem Tisch und folgte Pater Anselm über einen Weg, der zwischen einem Flüsschen und einer alten Klostermauer entlangführte. In regelmäßigen Abständen ragten schlanke Säulen aus dem Stein, aber die meisten waren in Kopfhöhe abgeschlagen. Neben einem Stapel schwarzer Eisenbahnschwellen blieb der Mönch stehen. Der beißende Kreosotgeruch erinnerte an Riechsalz. Er atmete tief ein und aus. »Irgendetwas fehlt«, verkündete er.
»Was?«
»Instruktionen.«
»Wenn das so wäre, hätte sie Ihnen einen Brief gegeben, keinen Schlüssel«, antwortete Nick.
»Das ist ein ziemlich gutes Argument«, stellte der Mönch fest und musterte blinzelnd eine Markierung im Boden, als hätte André Agassi einen Ball durch den Torbogen gedroschen.
Dieser zerstreute Mann mit dem zerzausten Haar und den spiegelnden Brillengläsern tat Nick leid. Sein Leben zwischen Ruinen hatte anscheinend seinen Verstand abstumpfen lassen, der früher einmal recht scharfsinnig gewesen sein musste – wie hätte er sonst einen Prozess gewinnen sollen, indem er einen Zeugen lediglich nach seiner Namenswahl befragte? Das war beeindruckend. Aber jetzt musste man ihm wohl ein bisschen auf die Sprünge helfen, fand Nick. »Pater, das ist eine seltsame Geschichte. Von allen Fällen, die meine Mutter bearbeitet hat, hat sie ausgerechnet diese Prozessakten behalten. Zufällig ertrinkt fünf Jahre später der Sohn eines Zeugen. Meine Mutter sucht den trauernden Vater, und beide bringen seinen Tod offenbar mit dem Prozess in Verbindung und akzeptieren den Befund des Gerichtsmediziners nicht. Daraus ergeben sich zwei Fragen: Vermuteten sie ein Verbrechen? Und was unternahmen sie dann? Aber ich habe noch eine Frage: Wieso hat sie die Unterlagen gerade dieses Falles behalten? Was war so Besonderes an Mr. Riley?«
Pater Anselm hatte den Kopf schief gelegt. Vielleicht sah er so auch aus, wenn er die Beichte hörte oder das, was Leute ihm sonst erzählten. Bedächtig holte der Mönch ein Päckchen Tabak heraus und drehte sich eine Zigarette. Er zupfte sich einen Tabakkrümel aus dem Mund und sagte: »Sie hat mir gesagt, sie sei dabei, ihr Leben zu ordnen.«
Das Streichholz sprühte Funken wie eine feuchte Leuchtbombe.
Sie gingen an der großen Mauer mit den abgebrochenen Säulen zurück.
»Pater, am Barrier-Riff habe ich beim Tauchen Fische gesehen, die sich von einer Pflanze waschen ließen«, erzählte Nick. »Es war wunderbar. Sie reihten sich auf und ließen sich nacheinander säubern. Irgendwie wussten sie einfach, was sie zu tun hatten. Sie brauchten keine Instruktionen.« Er schaute den bekümmerten Mönch an seiner Seite an. »Vielleicht dachte meine Mutter, Sie stünden in derselben Schlange und würden ohne nachzudenken verstehen, worum es geht. Machen Sie sich keine Gedanken, wenn Sie mir nicht so helfen können, wie sie es sich gewünscht hat.«
Als sie an den Tisch im Kräutergarten kamen, nahm Pater Anselm den Koffer; sie gingen weiter zum Parkplatz, wo der gelbe VW Beetle aussah, als würde er gegen das purpurne Dach aus Pflaumenbäumen flattern. Pflaumen lagen auf der Windschutzscheibe verstreut.
»Eine verrückte Gilbertiner-Idee«, sagte Pater Anselm verlegen. »Wir haben einfach nicht daran gedacht, dass Früchte herunterfallen, wenn sie reif sind.« Es klang wie eine Warnung. Er erbat sich etwas Zeit, um über den Inhalt des Koffers nachzudenken, und ließ sich Nicks Telefonnummer geben. Abschließend sagte er: »Drehen Sie keine alten Steine um. Lassen Sie sie ruhen, wo man sie hingelegt hat.«
Nick fuhr die Allee mit den Eichen hinunter, weg von Larkwood und dem Duft
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