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Patient meines Lebens: Von Ärzten, die alles wagen (German Edition)

Patient meines Lebens: Von Ärzten, die alles wagen (German Edition)

Titel: Patient meines Lebens: Von Ärzten, die alles wagen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Albrecht
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Schweinezellen hatte eine medizinisch-technische Assistentin mit Chemikalien zum Platzen gebracht und entfernt.
    So sollte später Singhs Immunsystem überlistet werden. Denn das Bindegewebe des Schweins war chemisch identisch mit dem eines Menschen, Singhs Körper würde es nicht als »fremd« erkennen.
    Der Schweinedarm war aufgespannt in einem Behälter, nicht größer als eine Brotbackmaschine für die häusliche Küche. Der Bioreaktor: In ihm sollte das Wunder der Fleischwerdung geschehen. Er funktionierte wie ein kleines Lebewesen ohne Gehirn, gesteuert durch ein Computerprogramm.
    Innen pulsierte leise tickend ein »künstliches Herz«, das mit seinen weißen Rippen eher aussah wie ein Mini-Heizkörper. Es pumpte über Plastikschläuche eine klare Flüssigkeit durch den Schweinedarm, in der Pavninder Singhs Körperzellen schwammen. Ein Sensor maß ständig den »Blutdruck« in den Schläuchen, 120 zu 80 mmHg, wie im menschlichen Körper. Außerdem gab es eine »künstliche Lunge« – ein Zylinder aus glänzendem Metall –, die das werdende Organ ständig mit Sauerstoff versorgte.
    Ein stetiges Surren der Klimaanlage erfüllte den menschenleeren Raum in Weiß am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik, Stuttgart. Es war die Schatzkammer von Heike Mertsching. Hier wollte sie künstliche Organe erschaffen. Bald sollte hier eine Hautfabrik ihre Arbeit aufnehmen, die allmonatlich 5000 kreisrunde, etwa centgroße Gewebeläppchen vollautomatisiert herstellen würde. Die erste Serienfertigung künstlicher Organteile. Luftröhren hingegen waren noch im frühen Experimentierstadium.
    Auf ihrem Weg in die Arbeit kam Mertsching jeden Tag hier vorbei und blickte voller Stolz durch die Glasscheiben. Betreten hatte sie ihre Schatzkammer noch nie, sie hatte keine Befugnis. Der Reinraum war durch eine Sicherheitsschleuse abgeriegelt, die nur wenige Mitarbeiter nach einer speziellen Schulung betreten durften. Maximal 50 Staubpartikel durften in einem Kubikmeter Luft hier herumschwirren, kein Keim durfte eindringen. Künstliche Organgewebe entstanden unter ähnlichen Bedingungen wie andernorts Solarzellen und Halbleiter.
    Unter dem Mikroskop war der Darm von feinsten Kanälen durchzogen – die äußere Hülle von Blutadern. Im Bioreaktor walteten rätselhafte Kräfte der Natur, die einem höheren Willen gehorchten, der sich jedem Einfluss der Wissenschaftler entzog. Denn die Körperzellen Singhs schienen von selbst zu wissen, wo in dem Schweinedarm ihr Platz war. Es waren Vorläuferzellen, die noch die Fähigkeit in sich trugen, sich zu spezialisieren. Diejenigen unter ihnen, die sich im Bindegewebe des Darms festsetzten, begannen bald selbst, Bindegewebsfasern zu erzeugen. Diejenigen, die ihren künftigen Wirkort in den Kanälchen ehemaliger Blutadern wählten, begannen, dieses von innen auszukleiden, manche unter ihnen verwandelten sich zu Muskelzellen, die künftig die Adern kontrahieren und entspannen würden – ein Mechanismus, mit dem der Körper den Blutdruck reguliert.
    Der Bioreaktor bot also nur technische Grundvoraussetzungen für etwas, das auch in jedem Embryo ohne das Zutun von Menschen stattfindet. Ein Vorgang, der im genetischen Code jeder einzelnen Zelle verschlüsselt ist – der Code für die Entstehung von Leben.
    Für Heike Mertsching und Thorsten Walles löste dieser Bioreaktor auch das Grundproblem des jungen Forschungsgebiets Tissue Engineering. Walles’ letzter Patient hatte ein Implantat ohne eigene Blutversorgung erhalten, das war vermutlich der Grund dafür gewesen, dass es verfaulte. Jetzt aber hatten die beiden Wissenschaftler erstmals ein künstliches Organ inklusive Blutadern gezüchtet. Bei Mäusen war so ein Implantat perfekt eingewachsen. Pavninder Singh war nun der erste Mensch, der es bekommen sollte.

    Der Inder focht währenddessen einen einsamen Kampf gegen seine Todesangst und eine chronische Lungenentzündung. Sie trieb sein Fieber mittlerweile konstant in gefährliche Höhen. Doch so geschwächt er auch war, jeden Tag saß er von morgens bis spät in die Nacht kerzengerade im Bett.
    Abends kam Walles manchmal zu ihm. Er tastete sich mit Hilfe von Zeichensprache und Kugelschreiber mühsam an die Vorgeschichte des Selbstmordversuchs heran, wollte mehr erfahren als die bruchstückhaften Infos, die ihm die Klinikpsychologen erzählt hatten. Für ihn ergaben die Ereignisse oder das wenige, was er über sie wusste, keinen Sinn. Aber er erfuhr nicht mehr als

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