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Patria

Patria

Titel: Patria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Berry
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sieben Uhr angesetzt, und Thorvaldsen freute sich nicht auf sie. Es gab bei diesen Sitzungen zu viel Gerede und zu wenig Ergebnisse. Er hatte noch nie ein Netzwerk gebraucht, um seine Ziele zu erreichen. Doch er genoss die Geselligkeit nach den Sitzungen.
    Gary saß auf einem der Polsterstühle.
    »Wie sehe ich aus?«, fragte er fröhlich.
    »Wie ein König.«
    Die prachtvollen Samtroben waren knöchellang und golden mit dem Motto des Ordens geschmückt: JE L’AI EMPRINS. Ich habe es gewagt. Es war die alte Ordenstracht, die noch aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammte.
    Thorvaldsen griff nach seiner Halskette. Die Kettenglieder aus massivem Gold stellten Feuereisen mit schwarz emaillierten Feuersteinen dar, und in der Mitte hing ein Anhänger mit einem reich verzierten goldenen Vlies herab.
    »Diese Kette erhält jedes Mitglied bei seinem Eintritt in den Orden. Sie ist ein Symbol.«
    »Sieht ziemlich teuer aus.«
    »Das ist sie auch.«
    »Ist dir das hier wirklich wichtig?«
    Thorvaldsen zuckte die Achseln. »Ich mag die Gemeinschaft. Aber es ist nicht wie eine Religion.«
    »Dad hat mir erzählt, dass du Jude bist.«
    Thorvaldsen nickte.
    »Ich weiß nicht viel über die Juden. Nur, dass Millionen von ihnen im Zweiten Weltkrieg umgebracht wurden. Ich habe das alles nicht wirklich verstanden.«
    »Da bist du nicht der Einzige. Die Nichtjuden haben schon seit Jahrhunderten Probleme mit unserer Existenz.«
    »Warum werden die Juden eigentlich so gehasst?«
    Thorvaldsen hatte schon oft über diese Frage nachgedacht – genauso wie die unzähligen Philosophen, Theologen und Politiker, die dieses Thema seit Jahrhunderten diskutierten. »Für uns hat alles mit Abraham angefangen. Er war neunundneunzig, als Gott ihm erschien und einen Bund mit ihm schloss, durch den er die Juden zum Auserwählten Volk machte, dem das Land Kanaan für immer zugedacht war. Doch leider war diese Ehre auch mit einer besonderen Verantwortung verbunden.«
    Thorvaldsen sah, dass der Junge aufmerksam zuhörte.
    »Hast du schon mal die Bibel gelesen?«
    Gary schüttelte den Kopf.
    »Das solltest du aber. Es ist ein großartiges Buch. Einerseits hat Gott den Israeliten seinen besonderen Segen gegeben. Er hat sie zu seinem Auserwählten Volk gemacht. Doch es war ihr Umgang mit dieser Bestimmung, der ihr Schicksal besiegelt hat.«
    »Was ist passiert?«
    »Im Alten Testament steht, dass sie sich gegen den Bund vergingen, fremden Göttern Rauchopfer darbrachten, Götzen für gutes Gelingen dankten und handelten, wie ihnen gerade der Sinn stand. Daher zerstreute Gott sie zur Strafe unter den Heiden.«
    »Und deswegen werden sie von allen gehasst?«
    Thorvaldsen zog die letzte Schlaufe des Mantels zu. »Das ist schwer zu sagen. Aber seit damals sind die Juden immer wieder verfolgt worden.«
    »Dieser Gott kommt mir ganz schön zornig vor.«
    »Der Gott des Alten Testaments ist ziemlich anders als der Gott des Neuen Testaments.«
    »Ich weiß nicht, ob dieser zornige Gott mir gefällt.«
    »Da bist du nicht der Einzige.« Thorvaldsen schwieg kurz. »Die Juden haben als Erste darauf bestanden, dass der Mensch für seine Handlungen Verantwortung trägt. Es ist nicht die Schuld der Götter, wenn dein Leben misslingt. Es ist deine eigene Schuld. Das hat etwas Entscheidendes verändert. Die Christen sind dann einen Schritt weiter gegangen. Der Mensch hat seine Vertreibung aus dem Paradies selbst verschuldet, doch weil Gott die Menschen liebt, hat er sie mit dem Blut seines Sohnes erlöst. Der jüdische Gott ist ein zorniger Gott, der Gerechtigkeit fordert. Der christliche Gott ist ein Gott der Gnade. Das macht einen riesigen Unterschied.«
    »Ich finde, Gott sollte gut zu den Menschen sein.«
    Thorvaldsen lächelte, dann sah er sich in dem eleganten Raum um. Es wurde Zeit, Bewegung in die Sache zu bringen. »Sag mir, was du über den Vorfall im Pavillon denkst.«
    »Mr. Hermann wird wahrscheinlich nicht gerade begeistert sein, dass du seine Tochter in deine Gewalt gebracht hast.«
    »Genau wie deine Eltern nicht begeistert von dem waren, was dir zugestoßen ist. Immerhin ist sie eine erwachsene Frau, während du noch ein Teenager bist.«
    »Warum passiert das alles?«
    »Ich glaube, das werden wir gleich erfahren.«
    Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, und Alfred Hermann stürmte herein. Auch er trug die prachtvolle Robe mit der goldenen Kette, doch sein Mantel war zusätzlich noch mit blauer Seide verziert.
    »Sie haben meine Tochter entführt?«,

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