Patria
brüllte Hermann zornig.
Thorvaldsen richtete sich auf. »Allerdings.«
»Und offensichtlich wissen Sie auch, dass dieses Zimmer hier abgehört wird.«
»Dafür braucht man nicht besonders schlau zu sein.«
Thorvaldsen spürte, wie Hermanns Anspannung zunahm. Sein Gegner musste sich plötzlich auf unbekanntem Terrain bewegen.
»Henrik, das werde ich nicht dulden.«
»Was wollen Sie denn dagegen unternehmen? Adlerklaue zurückrufen, damit er sich meiner annimmt?«
Hermann zögerte. »Das hätten Sie gerne, nicht wahr?«
Thorvaldsen trat dicht an ihn heran. »Mit der Entführung dieses jungen Mannes hier«, er zeigte auf Gary, »sind Sie wirklich zu weit gegangen.«
»Wo ist Margarete?«
»In sicherem Gewahrsam.«
»Sie wagen es ohnehin nicht, ihr etwas anzutun.«
»Ich wage alles, was nötig ist. So gut sollten Sie mich mittlerweile kennen.«
Hermanns Blick durchbohrte ihn. Thorvaldsen war schon immer der Meinung gewesen, dass das knochige Gesicht des Österreichers einen eher bäuerlichen denn aristokratischen Eindruck machte. »Ich dachte, wir wären Freunde.«
»Das dachte ich auch. Aber das hat Sie anscheinend keine Sekunde davon abgehalten, diesen jungen Mann zu entführen und das Antiquariat seines Vaters zu zerstören.«
Die erste Vollversammlung würde in wenigen Minuten beginnen. Thorvaldsen hatte den Zeitpunkt für seine Enthüllung mit Bedacht gewählt. Als Inhaber des Blauen Stuhls musste Hermann jederzeit beherrscht und selbstsicher auftreten. Er konnte es sich nicht erlauben, die Mitglieder spüren zu lassen, dass er Probleme hatte.
Und er musste pünktlich erscheinen.
»Wir müssen los«, sagte Hermann schließlich. »Aber diese Sache ist noch nicht ausgestanden.«
»Ich bin ganz Ihrer Meinung«, sagte Thorvaldsen. »Für Sie fängt es gerade erst an.«
50
Washington DC
13.30 Uhr
»Sind Sie nicht auch der Meinung, dass es unnötig gefährlich war, Daley so zu provozieren?«, fragte Green Stephanie.
Sie, Cassiopeia und Green saßen hinten in Greens Limousine. Der Chauffeur konnte sie nicht verstehen, da sie durch eine Plexiglasscheibe vom ihm getrennt waren. Green hatte sie nach ihrer Aktion in Daleys Haus im Zentrum von Washington abgeholt.
»Er hätte uns niemals verfolgt. Heather hätte zwar seine Kleider anziehen können, aber nicht seine Schuhe, und ich bezweifle, dass sie uns ohne Schuhe und Waffe gefolgt wäre.«
Green wirkte nicht überzeugt. »Was wollten Sie damit bewirken? Daley auf die Nase zu binden, dass Sie bei ihm waren?«
»Das würde ich auch gerne wissen«, mischte sich Cassiopeia ein. »Wir hätten verschwinden können, ohne dass Daley das Geringste bemerkt hätte.«
»Aber dann wäre ich immer noch eine wandelnde Zielscheibe. Jetzt muss er vorsichtig sein. Ich habe etwas in der Hand, was er gerne zurückhaben möchte. Und was auch immer man über Daley sagen kann, er versteht sich aufs Feilschen.«
Green zeigte auf die Ausgabe von Hardball. »Was ist daran denn so wichtig?«
Stephanie startete das Notebook, das Green auf ihre Bitte hin mitgebracht hatte. Sie steckte einen der USB-Sticks in einen Anschluss und gab als Passwort AUNT B’S ein.
»Das hat dein Mädel auch herausbekommen?«, fragte Cassiopeia.
Stephanie nickte. »Es ist eine Gastwirtschaft irgendwo in Maryland auf dem Land. Daley geht da oft an den Wochenenden hin essen. Er liebt die rustikale Küche, und das AUNT B’S ist eins seiner Lieblingsrestaurants. Ich habe mich darüber gewundert, denn ich hätte Daley unbedingt für einen Freund der hohen Küche gehalten.«
Auf dem Bildschirm erschien eine Liste von Dateien, die alle dasselbe Wort als Dateinamen hatten.
»Kongress«, sagte Stephanie.
Sie klickte eine der Dateien an.
»Ich habe erfahren, dass Daley immer alle möglichen Daten parat hat. Wenn er einen Abgeordneten dazu bringen will, in einer bestimmten Weise abzustimmen, kommt er diesem mit detaillierten Informationen über alle Bargeldübergaben, die zu Gunsten dieses Abgeordneten gelaufen sind. Das ist eigenartig, weil diese Gelder niemals über Daley selbst laufen. Diese schmutzige Arbeit wird von Lobbyisten verrichtet, die glauben, auf diese Weise Punkte im Weißen Haus zu sammeln. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, dass Daley irgendwo Aufzeichnungen haben muss. Kein Mensch hat ein derart gutes Gedächtnis.« Sie zeigte auf den Bildschirm. »Hier zum Beispiel.« Sie zählte. »Hier sind vierzehn Zahlungen an diesen Abgeordneten aufgelistet, die sich im Lauf von sechs
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