Patria
gefunden hatte, ging nicht darauf ein. Er fragte: »Geht es Ihnen um Israel? Ich weiß, dass Sie sich als Patrioten ansehen.«
»Und ich weiß, dass Sie intolerant und selbstgerecht sind.«
Hermann wurde wütend. »Das haben Sie mir aber noch nie gesagt.«
»Ich habe Ihre Einstellung immer gekannt, Alfred. Ihr Antisemitismus ist unübersehbar. Sie versuchen, ihn zu kaschieren – immerhin hat der Orden mehrere jüdische Mitglieder –, aber es gelingt Ihnen nicht.«
Wenn dem so war, konnte er sich die Heuchelei auch sparen. »Ihre Religion ist ein Problem. Und zwar seit jeher.«
Thorvaldsen zuckte die Achseln. »Nicht mehr als das Christentum. Allerdings haben wir unsere Aggressivität abgelegt und die Augen geöffnet, während die Christen im Namen des auferstandenen Herrn unzählige Menschen umgebracht haben.«
»Ich bin kein religiöser Mensch. Das wissen Sie, Henrik. Hier geht es um Politik und Profit. Die andern jüdischen Ordensmitglieder haben dieselben Interessen, weswegen sie in der Versammlung nicht den geringsten Widerspruch gegen meine Pläne angemeldet haben. Der Staat Israel steht dem Fortschritt im Weg, und die Zionisten haben Angst vor der Wahrheit.«
»Was haben Sie damit gemeint, dass die Christen auch involviert würden?«
»Falls wir die Bibliothek von Alexandria finden, wird es dort Texte geben, die die ganze Bibel als Betrug entlarven.«
Thorvaldsen wirkte nicht überzeugt. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so weit kommen kann.«
»Ich versichere Ihnen, Henrik, dass ich diese Sache gründlich durchdacht habe.«
»Wo ist Adlerklaue?«
Hermann warf dem Dänen einen anerkennenden Blick zu. »Gut mitgedacht. Aber er befindet sich außerhalb Ihres Einflussbereichs.«
»Sie haben ihn unter Kontrolle?«
Hermann beschloss, deutlich zu werden. »Diese Sache hier können Sie nicht gewinnen. Sie haben meine Tochter, aber das wird mich nicht aufhalten.«
»Vielleicht sollte ich mich ganz klar ausdrücken. Meine Familie hat die Besetzung Dänemarks durch die Nazis erlitten. Viele meiner Verwandten wurden getötet, aber wir haben auch viele Deutsche getötet. Ich habe mich jeder neuen Herausforderung gestellt. Mir persönlich liegt nicht das Geringste an Margarete. Sie ist eine arrogante, verwöhnte, dumme Person. Meine Sorge gilt meinem Freund Cotton Malone, seinem Sohn und meiner Wahlheimat Israel. Wenn es sein muss, werde ich Margarete töten, ohne zu zögern.«
Hermann hatte Bedrohungen von außen erwartet, doch nun war die größte Gefahr aus dem Innern des Ordens gekommen. Er musste diesen Mann beruhigen. Zumindest noch eine Weile.
»Ich kann Ihnen etwas zeigen.«
»Sie müssen diese Sache stoppen.«
»Es steht mehr auf dem Spiel als nur die Förderung unserer Geschäftsinteressen.«
»Dann zeigen Sie es mir.«
»Ich lasse es vorbereiten.«
59
Maryland
16.50 Uhr
Stephanie saß neben Cassiopeia auf dem Rücksitz einer Großraumlimousine. Ohne anzuhalten fuhren sie durchs Haupttor, und der SUV flitzte an den bewaffneten Wächtern vorbei. Sie waren von Washington aus nordwärts ins bergige Maryland gefahren, und Stephanie hatte sofort begriffen, wo es hinging.
Sie fuhren nach Camp David, dem Landsitz des Präsidenten. Hinter einem weiteren Kontrollpunkt mit Wächtern hielt das Fahrzeug vor einem eleganten, von Bäumen umstandenen Holzhaus mit überdachter Veranda. Sie stiegen aus und spürten unmittelbar die Kühle des Nachmittags. Der Geheimdienstmann, der sie im Museum abgefangen hatte, winkte, und die Vordertür ging auf.
Präsident Robert Edwards Daniels jun. trat aus dem Holzhaus.
Stephanie wusste, dass der Präsident sich nicht mit seinen richtigen Vornamen ansprechen ließ, sondern sich schon vor langer Zeit den Rufnamen Danny zugelegt hatte. Danny Daniels war ein geselliger Mensch mit einer volltönenden Baritonstimme und der gottgegebenen Fähigkeit, Wahlen zu gewinnen. Er hatte schon drei Amtszeiten als Gouverneur und eine als Senator hinter sich, bevor er als Präsident kandidierte. Letztes Jahr hatte er dann problemlos die Wiederwahl für eine zweite Amtszeit gewonnen.
»Stephanie, wie schön, dass Sie gekommen sind«, sagte Daniels und sprang die Verandatreppe hinunter. Der Präsident trug Stiefel, Jeans und ein Freizeithemd.
Sie nahm all ihren Mut zusammen und ging auf ihn zu. »Blieb mir denn eine andere Wahl?«
»Na ja, eigentlich nicht. Aber ich freue mich trotzdem, dass Sie hier sind. Ich habe gehört, dass Sie einige Probleme hatten.«
Daniels sagte
Weitere Kostenlose Bücher